© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Frisch gepreßt

Jens Jessen. Der Literaturkritiker Paul Fechter, der ihn in der Berliner Mittwochsgesellschaft kennenlernte, hat ihn 1947 mit einer einprägsamen Wendung charakterisiert: „Ein guter Hasser“ sei der in den „20. Juli“ verwickelte Nationalökonom Jens Jessen gewesen. Gehaßt hat Jessen freilich zunächst die Parteiendemokratie. Wie seinen Jahrgangsgenossen Ernst Jünger brachte ihn nicht zuletzt das „positive Kriegserlebnis“ gegen das Weimarer „System“ auf Gegenkurs. Anders als Jünger wagte Jessen aber den Schritt aus dem Milieu der Konservativen Revolution hin zur „Bewegung“ Hitlers. Wovon er 1933 kräftig profitierte, als er zum Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft aufstieg. Mehrere Kollisionen mit NS-Apparatschiks trieben den dickschädeligen Bauernsohn aus Nordschleswig dann bis Kriegsbeginn ins Oppositionslager. Während Jessen im Goerdeler-Popitz-Kreis am Umsturz arbeitete, verwandelte die Einsatzgruppe seines Schülers und Assistenten Otto Ohlendorf Südrußland in Köppels Bleek. Stoff genug eigentlich, um damit mehr als eine Biographie zu füllen. Die Hamburger Historikerin Regina Schlüter-Ahrens rekonstruiert, unterstützt von Jessens Sohn, diesen Lebensweg minutiös und widmet sich, erstmals in dieser Intensität, Jessens Position in den wirtschaftswissenschaftlichen Diskussionen seiner Zeit (Der Volkswirt Jens Jessen. Leben und Werk. Metropolis Verlag, Marburg 2001, 256 Seiten, 68 Mark).

Trott zu Solz. Barbara Schülers Gruppenporträt der „Weißen Rose“ (JF 47/01) oder die jüngste Jessen-Biographie (siehe oben) signalisieren eine auffällige ideenhistorische Vertiefung der Forschung zur Geschichte des deutschen Widerstands im Dritten Reich. Immer häufiger wird über die engere, mitunter nur mühsam zu erhellende „Tatbeteiligung“ hinaus der Einstieg in die intellektuelle Biographie genutzt, die oft weit zurück in die Weimarer Zeit führt. Am Lehrstuhl des Hamburger Verfassungsrechtlers Ulrich Karpen sind nach diesem Muster mehrere Arbeiten über die „Staatsdenker“ des Kreisauer Kreises entstanden, die das niedrige Niveau gewöhnlicher juristischer Dissertationen merklich übersteigen. Im Fall des philosophisch gebildeten Völkerrechtlers und Diplomaten Adam Trott zu Solz muß Andreas Schott sogar Sinn für Feinheiten der Hegel-Rezeption der dreißiger Jahre aufbringen. Ähnlich wie in Ausführungen über Trotts „Verhältnis zu Konservatismus und Nation“ spürt man dabei leider, daß Schott, der mehr Judizium für dessen außen- und verfassungspolitische Konzeptionen beweist, seine Kenntnisse nicht aus dem Studium Trott beeinflussender KR-Autoren, sondern aus Sekundärquellen wie den Werken von Kurt Sontheimer und Klemens Klemperer gewonnen hat (Adam von Trott zu Solz: Jurist im Widerstand. Verfassungsrechtliche und staatspolitische Auffassungen im Kreisauer Kreis. Schöningh Verlag, Paderborn 2001, 229 Seiten, 48 Mark).


 
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