© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Rüstungslobby kostet Milliarden
Bundeswehr: Verteidigungsminister ordert teure Airbus-Flieger / Finanzierung unklar / Preiswerte russische Varianten im Mülleimer gelandet
Paul Rosen

Dreißig Jahre ist sie alt, die Trans all. Generationen von Wehrpflichtigen, Zeit- und Berufssoldaten sind mit dem Truppentransporter der Luftwaffe geflogen und werden mit ihm noch fliegen. Doch ab 2008 soll die Transall Zug um Zug außer Dienst gestellt werden. Dann kommt, so will es die rot-grüne Bundesregierung und so wollen es insgesamt acht europäische Staaten einschließlich der Türkei, der Airbus A 400 M, ein viermotoriger Transporter der neuen Generation mit großer Reichweite. Nur das Geld dafür haben Kanzler Gerhard Schröder und sein Verteidigungsminister Rudolf Scharping trotz aller Absichtserklärungen und Vertragsunterzeichnungen noch nicht.

Die Bundeswehr will 73 Stück des neuen Airbusses bestellen, mit dem der europäische Flugzeughersteller (maßgeblich dahinter steckt der EADS-Konzern) einen Fuß in die Tür zum militärischen Flugzeugmarkt bekommen will. Denn dieser wichtige Markt wird bisher von den Amerikanern und den Russen sowie Ukrainern beherrscht. Die europäischen Flugzeugbauer erhoffen sich hier eine Quersubventionierung ihrer zivilen Produkte. Zahlreiche neue Entwicklungen für den militärischen Airbus dürften sich auch in diese zivilen Projekte einbringen lassen, hofft man bei EADS & Co. Damit macht man erheblichen Profit. Denn die militärischen Entwicklungen bezahlen die europäischen Regierungen, während sich der Preis auf dem zivilen Markt nach Angebot und Nachfrage richtet.

Doch Geld haben Schröder und Scharping nicht oder wenigstens nicht genug. Die 73 Exemplare, die die Bundeswehr dringend haben zu müssen glaubt, dürften bis zu 20 Milliarden Mark kosten. Im laufenden Haushalt stehen aber nur Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von zehn Milliarden Mark. Dafür, so befand der Bundesrechnungshof, gibt es maximal 40 Flugzeuge, und diese Zahl sei auch völlig ausreichend. Mehr brauche die Bundeswehr nicht. Damit wäre jedoch der gesamte europäische Airbus-Finanzplan zusammengebrochen, wenn Deutschland als größter Besteller seinen Auftrag um fast die Hälfte reduziert hätte.

Folglich machten besonders die Franzosen Druck. Auf einem Gipfeltreffen mit der Berliner Regierung in Nantes beschwerten sie sich heftig, daß die Unterzeichnung des Industrievertrages so lange verzögert worden sei. Paris griff nach in Berlin umlaufenden Gerüchten zu einer Daumenklammer, um die Berliner auf Trab zu bringen. Das deutsche Ersuchen, Frankreich möge doch helfen, einen geeigneten Hafen für die deutsche Marine zu finden, damit man den USA am Horn von Afrika helfen könne, Terroristen zu bekämpfen, stieß auf taube Ohren. So bereitet sich die Marine auf einen Einsatz vor, ohne rechtzeitig die Nachschubbasis organisieren zu können. Wieder einmal demonstrierte Rot-Grün seinen Anspruch auf den Amateurpokal für Außenpolitik.

Scharping hat alle nur denkbaren Fehler gemacht

Doch auch eine Verpflichtungsermächtigung im Haushalt über zehn Milliarden Mark ist nicht mit Bargeld gleichzusetzen. Das heißt nur, daß die Regierung vom Gesetzgeber ermächtigt ist, Verträge über maximal zehn Milliarden Mark zu unterzeichnen. Die verbindliche Bestellung von 73 Flugzeugen wäre bei dieser Finanzobergrenze ein klarer Verstoß gegen das Haushaltsrecht, hat der CDU-Finanzexperte Dietrich Austermann hervorgehoben und zugleich mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht gedroht.

Scharping versucht, sich auf andere Weise aus der Affäre zu ziehen. Er stellt sich auf den Standpunkt, daß er sehr wohl finanzielle Verpflichtungen über zehn Milliarden Mark eingehen kann, wenn er in den Vertrag einen sogenannten Parlamentsvorbehalt einfügen läßt. Das heißt: Er würde etwa 40 Maschinen fest ordern und auf die anderen eine Option abgeben unter dem Vorbehalt, daß der Bundestag im nächsten Haushalt weitere Milliarden für den Flieger bereitstellt. Die entscheidende Frage, wo das Geld herkommen soll, ist aber auch damit nicht beantwortet. Doch 2008, wenn die Rechnung beglichen werden muß, ist Scharping mit Sicherheit nicht mehr Verteidigungsminister.

Der Verteidigungsminister hat bei der Airbus-Anschaffung alle Fehler gemacht, die ein Politiker machen kann. Viel zu spät wurde das Vorhaben angegangen, und als man schließlich ans Werk ging, wurde nicht rechtzeitig für die Finanzierung gesorgt. Scharping ließ sich von den rot-grünen Haushaltspolitikern Volker Kröning (SPD) und Oswald Metzger (Grüne) permanent an den Pranger stellen. Derweil versprachen Schröder und sein Außenminister Joschka Fischer den anderen Airbus-Partnern, die Deutschen würden ihre Zusagen einhalten. Geld gaben sie dem Verteidigungsminister nicht.

Den Transporter hätte man preiswerter haben können

Auch bei den Haushaltsänderungen nach den Anschlägen vom 11. September, als drei Milliarden Mark mehr für die innere und äußere Sicherheit bereitgestellt wurden, geschah in Sachen Airbus nichts. Der Etat wurde vom Bundestag verabschiedet, ohne daß man auf die Anschaffung des Flugzeuges geachtet hätte. Jetzt müßte eigentlich ein Nachtragsetat her. Vielleicht wird Scharping schneller aus seiner Not erlöst als gedacht und erhält wenigstens weitere Verpflichtungsermächtigungen: Für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, für den nun wirklich kein Geld im Verteidigungsetat vorhanden ist, muß, wenn Rot-Grün die Grundsätze von Haushaltsklarheit und -wahrheit beachten will, ein Nachtragsetat her. Bis zu 1,2 Milliarden Mark kann der Afghanistan-Einsatz kosten, hat Austermann errechnet. Unabhängig von der Frage, was deutsche Soldaten in Kabul zu suchen haben, hätte man den Truppentransporter auch wesentlich preiswerter haben können.

Ein in Lemwerder bei Bremen sitzendes Konsortium, an dem auch maßgeblich deutsche Elektronik-Firmen beteiligt waren, hatte eine Airbus-Konkurrenz entwickelt. Auf Basis der russisch-ukrainischen „Antonov“, dem Lastesel der Lüfte im früheren Ostblock, wollte man einen Transporter auf Nato-Niveau entwickeln. Die Idee gefiel den Generälen und Beamten im Verteidigungsministerium so gut, daß sie in einer Vorlage an Scharping für die Anschaffung der „Antonov“ votierten. Denn der russisch-ukrainische Flieger gilt dem Airbus überlegen und würde auch das Anforderungsprofil der Bundeswehr besser erfüllen. Hinzu kommt: Die „Antonov“ fliegt bereits, während der Airbus nur als Projektstudie existiert und noch viele Kinderkrankheiten haben dürfte, wenn er 2008 erstmals ausgeliefert werden wird.

Doch die Lobbyisten von Airbus/EADS und die an den deutschen Milliarden-Zahlungen interessierten anderen europäischen Länder hatten mit ihren Interventionen und Warnungen vor einem „deutschen Sonderweg“ nach Moskau Erfolg. Scharping mußte die Empfehlung seines eigenen Hauses in den Papierkorb werfen und für den Airbus votieren, ohne ihn bezahlen zu können. Dabei hätte er sich durchaus auf die anderen europäischen Staaten berufen können: Die haben wesentlich weniger Airbusse bestellt, weil sie auf einen Mix unterschiedlicher Flugzeuge in ihren Transportflotten setzen, allerdings auf Maschinen aus US-Produktion.

Sparen können hätte Scharping noch viel mehr: Das milliardenschwere Projekt des neuen Kampfflugzeugs Eurofighter (maßgeblich beteiligt wieder EADS) hätte gestoppt werden können (übrigens eine alte SPD-Forderung). Die von der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR übernommenen Maschinen vom russischen Typ Mig 29 sind nach Angaben von Experten nach einer Kampfwertsteigerung den heutigen Maschinen überlegen und vermutlich dem Eurofighter gleichwertig. Doch die Bundeswehr stand immer auf dem Standpunkt, die Mig sei im Unterhalt zu teuer. Jetzt fand der Bundesrechnungshof heraus, daß die Mig-Betriebskosten von interessierter Seite künstlich hochgerechnet worden waren. Doch die Mig wird ausgemustert, der Eurofighter kommt. Armes Deutschland.


 
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