© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Anreize für Erwerbstätigkeit schaffen
Arbeitsmarktpolitik: Das Modell des Kombilohnes könnte die Arbeitslosigkeit verringern / Lohnsubvention statt Sozialhilfe
Folkmar Koenigs

Die Bundesregierung hat ihr Ziel aufgegeben, die Arbeitslosenzahl bis zur Bundestagswahl im September 2002 auf unter 3,5 Millionen zu senken. Statt dessen rechnet das rot-grüne Kabinett damit, daß die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2002 auf 3,9 Millionen steigen wird. Der Bund muß daher der Bundesanstalt für Arbeit auch in diesem Jahr zwei Milliarden Euro überweisen. Die Nürnberger Behörde wird in diesem Jahr insgesamt 54,1 Milliarden Euro ausgeben - 25,2 Milliarden Euro allein für Arbeitslosengeld - 1,3 Milliarden Euro mehr als geplant. Ursprünglich wollte der Bund den Zuschuß auf Null drücken.

Der Arbeitsmarkt ist gekennzeichnet durch strukturelle Arbeitslosigkeit. Den knapp 3,8 Millionen Arbeitslosen standen im November fast eine halbe Million offene Stellen gegenüber, die teilweise überhaupt nicht oder erst nach längerer Zeit besetzt werden können. Zu den Ursachen der Arbeitslosigkeit gehören neben gesundheitlichen Einschränkungen, fehlender Mobilität und Qualifikation familiäre Pflichten und der daraus resultierende Wunsch nach Teilzeitarbeit sowie ein Alter über 54 Jahren. Für diese Arbeitslosen kommen daher nur Arbeitsplätze in Frage, die eine geringe Qualifikation erfordern. Durch die Tarifpolitik der Gewerkschaften sind die Löhne für die untersten Lohngruppen überproportional erhöht worden. Als Folge sind viele Arbeitsplätze mit geringen fachlichen Anforderungen weggefallen, die Firmen haben sie durch Maschinen ersetzt oder in das Ausland verlagert. Das geschieht weiterhin, denn im Verhältnis zu den Löhnen und Lohnnebenkosten ist die Produktivität dieser Arbeitnehmer zu gering. Arbeitslose ohne oder mit geringer Qualifikation und unter Umständen weiteren Einstellungshindernissen wie gesundheitliche Einschränkungen oder fehlende Sprachkenntnisse haben daher auf dem ersten Arbeitsmarkt nur geringe Aussichten auf einen Arbeitsplatz: Sie benötigen Arbeitslosen- oder Sozialhilfe. Hinzu kommt, daß diese Leistungen oft so hoch sind, daß kein Anreiz besteht oder es sogar nachteilig ist, eine gering bezahlte Arbeit aufzunehmen. Hauptursache für die Arbeitslosigkeit dieser Gruppe ist aber - aus der Sicht der Arbeitgeber - das bestehende Mißverhältnis zwischen Lohn und Lohnnebenkosten einerseits und der Produktivität dieser Arbeitnehmer andererseits.

Erforderlich ist daher eine Verbesserung dieses Mißverhältnisses durch Senkung der Kosten für die Arbeitgeber. Die im September 2001 von der CDU vorgeschlagenen Lohnzuschüsse an die Arbeitnehmer und höhere Freibeträge bei der Anrechnung des Verdienstes auf die Sozialhilfe ändern an dem Mißverhältnis nichts und sind der falsche Ansatz. Hinzukommen ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Artikel 3 des Grundgesetzes und die hohen Kosten.

Die naheliegende Lösung einer stärkeren Lohnspreizung durch Vereinbarung von Lohngruppen mit einem der Produktivität entsprechenden geringeren Entgelt scheitert am Widerstand der Gewerkschaften. Außerdem läge ein solcher Nettolohn meist unter den Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder Sozialhilfe. Diese Argumente wären allerdings dadurch auszuräumen, daß der Nettolohn durch die Arbeitslosenversicherung oder Sozialhilfe auf den dem Berechtigten sonst zustehenden Betrag aufgestockt würde, mit einem Zuschlag als Anreiz für die Tätigkeit.

Als Lösung bietet sich daher nur der Kombilohn an, in Form eines Zuschusses zu den Lohnkosten an die Arbeitgeber, finanziert durch Verlagerung der Mittel für ABM-Maßnahmen bzw. durch die Ersparnisse bei der Arbeitslosenversicherung oder Sozialhilfe. Wegen des Gebots der Gleichbehandlung aus Artikel 3 des Grundgesetzes sind solche Lohnsubventionen aber befristet und degressiv auszugestalten und auf Arbeitslose zu begrenzen, die sonst nur eine geringe Aussicht auf eine Stelle haben. Befristung und Degression sind ferner gerechtfertigt durch die Erwartung, daß durch Erfahrung und Fortbildung die beruflichen Fähigkeiten des Arbeitnehmers so weit wachsen, daß seine weitere Beschäftigung für den Arbeitgeber auch ohne Lohnsubvention möglich wird. Mit diesen Einschränkungen werden zugleich die Kosten begrenzt.

Ob es erforderlich und möglich ist, die Arbeitgeber durch Lohnsubventionen zum Schaffen zusätzlicher Arbeitsplätze zu veranlassen, wird seit Oktober 1999 im Modellprojekt „Kombilohn“ des hessischen CDU-Sozialministeriums erprobt. Auch NRW-Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) hat beim Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) eine Kombilohn-Studie in Auftrag gegeben. Sogar Kanzler Gerhard Schröder favorisiert inzwischen Kombilöhne.

Die verwaltungsmäßige Ausführung sollte durch Schecks für je einen Monat geschehen, die der Arbeitslose vom Arbeitsamt erhält und die der Arbeitgeber dort einlösen kann. Damit wird eine sehr flexible Gestaltung der Lohnsubvention entsprechend den Verhältnissen der einzelnen Branchen möglich: sowohl der Höhe nach (in einem bestimmten Prozentsatz des Tariflohnes der jeweiligen Lohngruppe) als auch durch unterschiedliche Befristung und Degression entsprechend allgemeinen Richtlinien. Als Ergänzung wären Schecks zur Kostendeckung der Qualifizierung durch den Arbeitgeber oder durch anerkannte Ausbildungsinstitutionen möglich. Denkbar wäre auch, daß Höhe und Dauer der Lohnsubvention von Angebot und Nutzung solcher Qualifizierungen abhängig gemacht werden. Dieses System könnte zunächst in Modellversuchen auf andere Arbeitslosengruppen ausgedehnt werden.

Bei Arbeitslosen ohne oder mit geringer beruflicher Qualifikation bleibt aber dennoch der fehlende Anreiz für die Aufnahme einer Arbeit, da die Leistungen der Sozialhilfe oft höher sind als der Nettolohn. Eine erhebliche Kürzung der Sozialhilfe ist aber allenfalls für arbeitsfähige ledige Sozialhilfeempfänger möglich. Eine Erhöhung des gegenwärtigen Freibetrages des Arbeitsverdienstes ohne Anrechnung auf die Sozialhilfe als Anreiz für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, wie von der CDU vorgeschlagen, führt aber zu Benachteiligungen: Ein solcher Nettolohn ist höher als der vergleichbarer, „nichtsubventionierter“ Arbeitnehmer. Dasselbe gilt für die volle oder teilweise Übernahme des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung oder einen undifferenzierten Zuschuß zum Lohn an den Arbeitnehmer.

Eine mit Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbare Lösung ist nur die Aufstockung des Nettolohns auf die den Berechtigten sonst zustehenden Leistungen der Sozialhilfe, verbunden mit einem Zuschlag von fünf oder zehn Prozent als Anreiz für die Aufnahme einer gering bezahlten Tätigkeit. Dasselbe gilt für Teilzeittätigkeiten. Bei Ablehnung einer solchen Stelle könnten dann die Leistungen der Sozialhilfe verringert werden.

Der Kombilohn auch in dieser Form ist aber nur eine begrenzt wirksame Lösung. Vorrang bei Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sollte eine Deregulierung des Arbeitsmarktes und mehr Flexibilität in der Tarifpolitik haben.

 

Prof. Dr. Folkmar Koenigs lehrt Handels- und Wirtschaftsrecht an der TU Berlin.


 
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