© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Keine Hysterie
Wald: Der Zustandsbericht für 2001 listet Schäden auf
Volker Kempf

Jedes Jahr, wenn der Waldzustandsbericht der Bundesregierung heraus-kommt, werden Erinnerungen wach. Mehr Luftreinhaltung bei der Verbrennung von Kohle und Autokraftstoff wurde in den 1980er Jahren dank Umweltschützern erreicht: Qualmende Anlagen wurden mit Filtern ausgestattet, Autos bekamen Katalysatoren und Kohlekraftwerke wurden mit dem Ende der DDR ebenfalls zur Makulatur. Der Ausstoß von Schwefeldioxyd nahm ab.

Doch Entwarnung kann nicht gegeben werden. Laut Waldzustandbericht 2001 sind in Deutschland noch immer 22 Prozent der Bäume deutlich geschädigt, das heißt ihnen fehlt mindestens ein Viertel ihrer Blätter oder Nadeln. In die „Warnstufe“ mit leichten Ausdünnungen in den Kronen, was elf bis 25 Prozent Nadel- oder Blattverlust bedeutet, werden 42 Prozent des deutschen Waldes gezählt. Nur 36 Prozent seien ohne signifikante Schäden. Die Prozentzahlen haben sich insgesamt, je nach Baumart mehr oder weniger, geringfügig verbessert. Zudem bleiben offene Fragen: Wie viel Wald ging in den letzten Jahren etwa durch Bebauung verloren, ist also bereits tot, ohne in der Statistik aufzutauchen. Immerhin hat der Flächenverbrauch in Deutschland jedes Jahr zugenommen. Und wie viel der erkrankten Bäume sind durch die heftigen Stürme der letzten Jahre von der Bildfläche verschwunden, um dann auch nicht mehr in der einschlägigen Statistik aufzutauchen?

Wie auch immer: Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Gerald Talheim (SPD), dämpfte bei der Präsentation des Waldzustandsberichts Hoffnungen auf nachhaltige Besserung: Es sei nicht zu erwarten, daß es zu einer raschen Entspannung der Situation kommen werde. Das Problem sei jahrzehntelang durch Schadstoffeinträge aus den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Industrie entstanden. Heute würde aber im Gegensatz zu den 1980er Jahren der Ausstoß von Stickstoffverbindungen dem Wald nachhaltig zusetzen. Hauptemittenten seien die Landwirtschaft und der Verkehr.

Die in den achtziger Jahren aufgekommene Rede vom Waldsterben wurde oft als Hysterie abgetan, also als der Sache und den damit verbundenen Forderungen nach Luftreinhaltung nicht angemessen beurteilt. Das tut heuer auch Udo Ulfkotte in der FAZ vom 18. Dezember 2001. Es zeigt sich unter Berücksichtigung der Fakten aber, daß eine solche Beurteilung unangemessen ist und weitere Bemühungen um Luftreinhaltung vonnöten sind. Andernfalls müßte der Wald heute dank angeblich nur aus Hysterie vorgenommener Luftreinhaltung vor Gesundheit strotzen - tut er aber nicht.

Sicher war es gerade für Autofahrer bequemer, das Problem zu verdrängen, weil dann das Autofahren mehr Spaß macht. Doch ist man mit der Spaßgesellschaft, um Ulfkottes eigentlich auf Umweltschützer gemünzte Überschrift zu variieren, hier sicher „auf dem Holzweg“.


 
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