© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
CD: Operette
Mythologisch
Julia Poser

Mit der frechen opéra bouffé „Orpheus in der Unterwelt“ kam Jacques Offenbach 1860 zu einem Gastspiel nach Wien, und die Wiener waren entzückt von dieser neumodischen Art der französischen Operette. Schnell begriff diese Stimmung der Kapellmeister am Theater in der Josephstadt, Franz von Suppé. Da er mit seinen Kompositionen von Kammer- und Kirchenmusik keinen Erfolg hatte, versuchte er sich an dieser neuen musikalischen Kunstform. Ein wenig Parodie, ein wenig Zauberposse und viel italienisch beeinflußte Melodienseligkeit: die Wiener Operette war geboren.

Franz von Suppé, der eigentlich Francesco Ermengildo Cavaliere Suppé Demelli hieß, wurde 1819 im dalmatinischen Spalato (heute Split) geboren. Erst mit über vierzig Jahren begann er mit der Komposition von einaktigen Operetten. Mit der komisch-mythologischen Operette „Die schöne Galathée“ hatte er 1865 einen glänzenden Erfolg. Darin vereinigte Suppé schwungvolle Rhythmik und die Eleganz der italienischen opera buffa mit Wiener Walzerseligkeit und stürmischen Galoppklängen. Den Text dazu schrieb Poly Henrion, ein Pseudonym für Leopold Kohl von Kohlenegg.

Es ist die häufig verwendete Geschichte des Bildhauers Pygmalion, der eine wundervolle Frauenstatute geschaffen hat, in die er sich unsterblich verliebt. Er bittet die Göttin Venus, der Statue Leben einzuhauchen und dem Mamor ein fühlendes Herz zu geben. Das Wunder geschieht, aber Galathée entpuppt sich als recht banales Weibchen. Ungeniert macht sie dem jungen Diener Ganymed schöne Augen und läßt sich von dem reichen Bankier Midas mit kostbarem Schmuck behängen. Schließlich will sie auch noch mit Ganymed fliehen. In seiner Verzweiflung fleht Pygmalion die Göttin Venus an, das undankbare Geschöpf wieder zu Stein werden zu lassen. Mit ihr versteinern sich auch all die Juwelen des Bankiers, der am Ende wenigstens die Statue der schönen Galathée kauft.

Erfreulicherweise hat die CD Firma CPO (Lübecker Str. 9, 49124 Georgsmarienhütte) eine gelungene Aufführung Suppés meisterlich beschwingter Operette aus dem Koblenzer Stadttheater aufgenommen. Sie bringt auf nur einer CD die musikalischen Teile dieser mythologisch verschleierten Gegenwartssatire. Die gesprochenen Dialoge muß man im beigefügten Textheft nachlesen.

Als junger Ganymed, eine Hosenrolle, stellt Juliane Heyn fest, daß, wenn man erst einmal ein paar tausend Jahre verschlafen hätte, die Menschen nicht mehr „so klassisch wie wir Griechen“ sein werden. „Da hungert und stylt sich, wer was auf sich hält. Für ewige Jugend kasteit sich die Welt.“ Ganz bezaubernd klingt ihr heller Sopran auch im Kuß-Duett mit Andrea Bogner als Galathée. Im Duett mit Pygmalion „Ich lebe! Ich bin erwacht!“ und vor allem in der Romanze „Leise bebt und zaubrisch schwebt“, einem Höhepunkt der Aufnahme, meistert Andrea Bogner die Schwierigkeiten, die diese koloraturgespickte Arie fordert, mit stupender Leichtigkeit und leuchtenden Tönen. Michael Kupfer gibt dem reichen, aber dummen Bankier Midas ein eindrucksvolles Profil. In der Ariette „Meinem Vater Gordios, meiner Mutter Cybeles hab ich es zu danken, daß ich so ein feiner Mann bin“ brüstet er sich mit buffoneskem Bariton seines Mäzenatentums für hübsche Sängerinnnen, Tänzerinnen oder Reiterinnen. Hans-Jürg Rickenbacher preist mit ansprechendem Tenor das Wunder der Venus. Stimmschön begleitet der Chor des Koblenzer Theaters den erleichterten Pygmalion. Der junge Wiener Dirigent Thomas Eitler bringt mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie mit großem Elan den schier unerschöpf-lichen Melodienreigen Suppés. Wer einmal nicht zum soundsovielten Mal „Die Fledermaus“ hören möchte, wird an dieser „Schönen Galathée“ seine helle Freude haben.


 
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