© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Ein neuer Held der Linken
Carl Schmitt: Hochkarätige Tagung in Rom über den deutschen Staatsrechtler
Fabrizio La Rocca

In dem Innenhof des Gebäudes sieht man eine Marmortafel mit der Aufschrift: „Questa facoltà ripudia ogni forma di fascismo e razzismo“ („Diese Fakultät widersetzt sich jeder Form des Faschismus und Rassimus“). Dort, in dem Vortragssaal der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität La Sapienzia von Rom, fand am 26./27. November vorigen Jahres ein internationales Kolloquium über den deutschen Staatsrechtler Carl Schmitt statt. Thema der Zusammenkunft war „Carl Schmitt, politischer Denker des 20. Jahrhunderts“ („Carl Schmitt, pensatore politico del XX. secolo“).

Die Veranstaltung wurde von dem Herausgeber der Carl Schmitt-Studien, Antonio Caraccoilo, initiiert und von der Regionalverwaltung Lazio finanziert. Von drei Kontinenten kamen die Fachleute: Masanori Shiyake (Japan), Jorge Eugenio Dotti (Argentinien), Ernst Nolte und Günter Maschke (Deutschland), Paul Piccone (USA), Alain de Benoist (Frankreich), Montserrat Herrero und Gabriel Guillén Kalle (Spanien).

Die meisten der Teilnehmer berichteten über die aktuelle Situation der Schmittiana in ihren Ländern. Andere widmeten sich spezielleren Themen. So zum Beispiel Ernst Nolte, der über „Carl Schmitt und der Marxismus“ referierte, ein Forschungsgebiet, das in den letzten Jahren verstärkt Beachtung findet. Monstserrat Herrero (Universität Pamplona) berichtete über den Einfluß Schmitts auf die Werke von Alvaros und Ors, Pietro Grasso (Universität Padua) widmete sich dem Niedergang des Staates im Schmittschen Denken.

Paul Piccone, Chef der New Yorker Zeitschrift Telos, veranschaulichte mit deutlichen Worten die Verteufelung Schmitts durch einige angelsächsische Liberale, wie zum Beispiel William E. Scheuerman, David Dyzenhaus und John P. McCormick, die in dem Denken Schmitts eine „Placebo-Ideologie“ sehen und völlig anachronistisch versuchen, ein „Phantom des Faschismus“ wiederzubeleben. Besonders pikant: Telos war ursprünglich das amerikanische Organ der Frankfurter Schule; heute werden die Thesen von Habermas verworfen, und man bereitet die erste englische Übersetzung des „Nomos der Erde“ vor. Piccone war der Ansicht, daß die Arbeiten von Schmitt über das Internationale Recht und die Geopolitik in der aktuellen Politikwissenschaft grundlegend seien.

„Ohne Zweifel sind die Linken dafür verantwortlich, daß Schmitt in Italien so erfolgreich ist“, betonte Antonio Caracciolo und verwies auf die Anwesenheit von Giacomo Marramao (Universität Rom), einen der bekanntesten Theoretiker der Linken in Italien, der die Nützlichkeit der Schmittschen Thesen für das Verstehen des Phänomens „Globalisierung“ betont hatte.

Alain de Benoist, Herausgeber der Zeitschrift Krisis berichtete über die Debatten bei den linken Intellektuellen, wo Ellen Kennedy gegen Martin Jay, George Schwab oder Joseph W. Bendersky gegen David L. Dyzenhaus, Chantal Mouffe, bzw. Gopal Balakrish-nan gegen William E. Scheuermann opponieren würden.

Günter Maschke betonte, ebenso wie Piccone, daß man den historischen Kontext, in dem Schmitt seine Thesen formuliert habe, nicht vergessen dürfe. Als Beispiel nannte Maschke das berühmte Werk „Der Begriff des Politischen“, dessen Thesen vor dem Hintergund der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen, und als Akt des Widerstandes gegen diese konkrete Situation gesehen werden könnten.

Alain de Benoist, der gerade dabei ist, eine internationale Bibliographie über Carl Schmitt zu beenden, konnte außerdem berichten, daß sich fast 250 Bücher dem Leben und Werk des Denkers aus Plettenberg widmen würden, von denen die Hälfte in den neunziger Jahren veröffentlicht wurden - also durchschnittlich ein Buch pro Monat. Bemerkenswert sei, daß, nach Deutschland, in Italien die meisten Werke - fast 50 - über Schmitt verfaßt wurden. Außerdem arbeite man zur Zeit in über 30 Ländern an Übersetzungen der Werke von Carl Schmitt. Von daher war es nicht verwunderlich, daß die Italienische Presse in aller Breite über die Veranstaltung in Rom berichtet hat.

 

Aus dem Französischen übersetzt von Alexander Barti


 
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