© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/02 11. Januar 2002

 
Millionenschwere Patenschaften
Parteien I: Die Illustrierte „Stern“ rückt die CSU-Spendenpraxis ins Zwielicht / Staatsanwaltschaft sieht keinen Ermittlungsgrund
Alexander Griesbach

Augenscheinlich hat die Hamburger Illustrierte Stern der CSU-Führungsspitze die halkyonischen Tage des Weihnachtsurlaubes nicht gönnen wollen. Diese dürfte durch die mediale Bombe, die der Stern zwischen den Jahren zündete, gehörig aufgeschreckt worden sein. Die CSU soll nach Angaben des Magazins jahrelang falsche Spendenquittungen ausgestellt und sich damit etwa sechs Millionen Mark (3,07 Millionen Euro) an staatlichen Zuschüssen erschlichen haben. Die bayerische Partei, die die Vorwürfe umgehend dementierte, soll sich damit, folgt man den Anschuldigungen des Stern, der Anstiftung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei Zehntausenden von Sympathisanten schuldig gemacht und unzutreffende Rechenschaftsberichte beim Bundestag eingereicht haben.

Die CSU soll im einzelnen von 1994 bis 1999 durch professionelle Zeitschriftenwerber sogenannte Spendenabonnements ihres Parteiblattes Bayernkurier und ihres Informationsdienstes Münchner Brief im Wert von rund zwölf Millionen Mark (6,14 Millionen Euro) verkauft haben. Gegenüber dem Bundestag deklarierte sie diese Einnahmen als Geldspenden und kassierte für jede Spendenmark beim Bundestag einen Zuschuss von 50 Pfennig. 3,07 Millionen Euro (6 Millionen Mark) soll die CSU auf diese Weise bei Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) an staatlichen Spendenzuschüssen eingestrichen haben.

Das Spendengeschäft lief nach Darstellung des Stern wie folgt ab: Ein Spender abonnierte zum Beispiel beim Verlag Bayernkurier Abos im Wert von 6.000 Mark. Davon kassierte der Werber die Hälfte, was dem Spender jedoch verschwiegen wurde. Der Spender erhielt von der CSU eine Spenden-Quittung über 6.000 Mark, die er steuerlich absetzen und damit seine Steuerschuld um 3.000 Mark mindern konnte. Die CSU meldete beim Bundestag eine Geldspende über 6.000 Mark und kassierte einen Zuschuß aus der Staatskasse von 3.000 Mark. Steuerexperten sind nach Angaben des Stern der Auffassung, daß bei diesen Spenden-Abos überhaupt keine Spende vorgelegen habe. So sei der Verlag Bayernkurier ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, an den keine steuerbegünstigten Spenden möglich seien. Insofern habe die CSU ungültige Spendenquittungen ausgestellt. Das bedeute, daß die Spender, die ihre Spendenquittungen beim Finanzamt einreichten, wegen Steuerhinterziehung belangt werden könnten. CSU-Funktionäre müßten sich Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorhalten lassen.

Die CSU hat unterdessen zu beweisen versucht, daß ihre umstrittene Spendenpraxis rechtmäßig war. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel ging in die Offensive und legte entsprechende Drucksachen des Bundestages von 1996 vor. Darin billigte die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) das Verfahren der CSU zur Anwerbung von Patenschaftsabonnements.

Als Bundestagspräsident Thierse (SPD) ankündigte, die Vorwürfe gegen die CSU prüfen lassen zu wollen, forderte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos Thierse auf, entweder als Bundestagspräsident zurückzutreten oder den stellvertretenden SPD-Parteivorsitz niederzulegen. Thierse führe sein Amt nicht „überparteilich“ aus. Thierse lasse, so Glos, aus rein „parteipolitischen Gründen“ die Vorwürfe gegen die CSU prüfen.

CSU-Generalsekretär Thomas Goppel hat unterdessen die dubiosen Medienbeteiligungen der SPD aufs Korn genommen: Im Interesse eines fairen Wettbewerbs forderte er die SPD auf, „die jahrelang verschleierten Beteiligungen an Dutzenden von Unternehmen, vor allem Presse-, Verlags- und Rundfunkhäusern, abzugeben“. Das seien die Fragen, die jetzt auf Antwort warteten, monierte Goppel.

Weiter kündigte die CSU an, wegen der Vorwürfe des angeblichen Spendenbetrugs in die Offensive gehen und den Stern möglicherweise verklagen zu wollen. Zugleich legte Goppel Beschwerde beim Deutschen Presserat wegen groben Verstoßes gegen die journalistische Sorgfaltspflicht ein. Der Stern habe „wider besseren Wissens“ schwere Vorwürfe gegen die CSU erhoben.

Die Münchner Staatsanwaltschaft erklärte inzwischen, gegen die CSU wegen der Vorwürfe eines angeblichen Spendenbetrugs kein Ermittlungsverfahren einleiten zu wollen. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Straftat, teilte die Staatsanwaltschaft München mit. Das von der CSU praktizierte Verfahren, Patenschaftsabonnements für Parteizeitungen als Spenden zu deklarieren, sei nicht zu beanstanden.

Selbst wenn das Vorgehen der CSU nicht justiziabel sein sollte: Nicht abgestritten werden kann, daß der Steuerzahler indirekt die Drückerkolonnen finanzierte, die Abonnements des Bayernkuriers verkauften. Daß dies von der damaligen Bundestagspräsidentin Süssmuth gebilligt wurde, zeigt einmal mehr, welch fragwürdige Facetten die Parteienfinanzierung in Deutschland inzwischen angenommen hat.

Der Bayernkurier ist im übrigen nicht zum ersten Mal im Zwielicht. Im April 2000 trennte sich die Partei von Wilfried Scharnagl, dem langjährigen Chefredakteur des Parteiorgans. Um Scharnagl loszuwerden, nutzte CSU-Chef Stoiber, im Nebenamt Herausgeber des Bayernkuriers, die finanziell angespannte Lage des Parteiblatts. Er schloß ein Kooperationsabkommen mit der FAZ-Tochtergesellschaft Leadermedia, die den Bayernkurier besser vermarkten sollte. Scharnagl kündigte daraufhin.

Bei den Trennungsstreitigkeiten spielte, so der Spiegel vom 2. Juni 2001, der Geschäftsmann Karl Robitsch aus Pöcking eine nicht unerhebliche Rolle, mit dem Scharnagl ein bezeichnendes Arrangement abgeschlossen hatte. Mitte der neunziger Jahre bat der Chefredakteur Robitsch laut dessen Aussage, für den Bayernkurier „eine Million Mark netto“ im Jahr zu besorgen. Einen schriftlichen Vertrag gab es nicht, so Robitsch, weil „die Parteileitung nichts davon wissen sollte“. Robitsch warb allerdings weniger Abonnenten für den Bayernkurier, sondern vor allem für den Münchner Brief, der im Verlag des Bayernkuriers erschien. Bei einem Abopreis von 480 Mark kamen jährlich rund sechs Millionen zusammen. Es habe sich um eine Art indirekte Parteienfinanzierung gehandelt, weil die CSU-Kasse so bei den Zuschüssen für den Bayernkurier entlastet worden sei. Robitsch kassierte mit, bis die CSU-Führung Wind von der Vereinbarung bekam. Aus der mündlichen Vereinbarung mit Robitsch kam die CSU nur gegen eine exorbitante Abfindung heraus.

Doch damit nicht genug. Robitsch kassiert, eine Verpflichtung aus den Zeiten von Franz-Josef Strauß, vom Bayernkurier „auf unabsehbare Zeit“ monatlich einen Betrag von über 10.737 Euro (21.000 Mark). Anders als bei der Abmachung mit Scharnagl existiert über dieses Engagement ein bis heute gültiger schriftlicher Vertrag. Laut Robitsch bekommt er für jeden Abonnenten 40 Prozent des Abopreises. Ausgestattet mit handschriftlich unterzeichneten Empfehlungsschreiben von Strauß sprachen Robitsch und seine Mitarbeiter bei den CSU-Mitgliedern vor und versuchten, sie zu drängen, den Bayernkurier, der ihnen eigentlich kostenlos zustand, im Interesse der gemeinsamen Sache im Abonnement zu bestellen und zu bezahlen. Mit offenkundigem Erfolg: Der Bayernkurier sowie Robitsch und seine Drückerkolonnen nahmen Millionen ein.

 

Fototext: CSU-Generalsekretär Goppel, Parteichef Stoiber: Fragwürdige Facetten der Parteienfinanzierung in Deutschland


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen