© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002


Wirtschaftsflaute
Dieter Wedel und der Staat als Brandstifter
Dieter Stein

Dieter Wedel hat in seiner als Sechsteiler ausgestrahlten „Affäre Semmeling“ das verfilzte Milieu aus Politik, Wirtschaft und Medien aufs Korn genommen, in einer prallen Geschichte aus Sex, Crime und Vetternwirtschaft.

Wedel schilderte jedenfalls treffend die vielfältigen Versuchungen, denen Politiker, Unternehmer und Journalisten erliegen. Es wird geschoben, getrickst, erpreßt und bestochen. Die Grenzen zwischen Legalität und Verbrechen fließen, und plötzlich wird scheinbar jeder zum Schwein. Nach einer Internet-Umfrage des „Bundes der Steuerzahler“ gaben 75 Prozent zur Antwort, die „Affäre Semmeling“ gäbe die Realität wieder, 35 Prozent davon sagten sogar, es sei noch schlimmer.

Es scheint fast ein Gesetz zu sein, daß ein Saubermann den nächsten ablöst, um immer wieder denselben Lockungen zu erliegen - mal mehr, mal weniger. Der Bewahrer des Filzes von heute ist der Reformer und Korruptionsbekämpfer von gestern.

Als spräche Wedel aus leidvoller Erfahrung, tritt als Geißel die Steuerfahndung auf: Die Stasi im Hochsteuerland. Oft trifft es Kriminelle, doch immer wieder Unschuldige, deren Wohnungen gestürmt und deren Ansehen über Nacht ruiniert wird.

Die Beamten machen ihre Aufgabe. Die Steuergesetze haben sie nicht gemacht. Je exorbitanter die Ausgaben des Staates sind, desto größer werden die Widerstände derjenigen, die das dafür nötige Geld erarbeiten und dann merken, daß ihnen immer mehr davon abgeknöpft wird. Je riesenhafter das metastasenartig wuchernde Ungetüm namens „Staat“ wird, das wie ein riesiger Parasit den Produktiven die Kräfte raubt, desto brutaler wird auch der Kampf derjenigen, die die Interessen des Fiskus’ durchsetzen müssen. Dabei sind sie nur noch in der Lage punktuell gegen Missetäter vorzugehen. Zu viele Löcher hat der Damm, nicht alle kann man stopfen, durch die Steuermilliarden verschwinden.

Auf der anderen Seite schaufelt der Staat gönnerhaft das zusammengehamsterte Geld als „Subvention“ und Fördermittel an „Investoren“ und bankrotte Betriebe. Die einen baden im Geld, das den anderen abgepreßt wurde. Die hohe Zahl der Arbeitslosen und der von staatlicher Unterstützung abhängigen Bürger wird paradoxerweise von den Parteien nicht als Gegenargument gegen den starken Staat angesehen, sondern es verleiht dem Brandstifter den Status des Feuerwehrmanns. Mit der einen Hand erdrosselt der Staat durch Bürokratie und Steuern die Leistungskraft der Bürger und ist damit Hauptverursacher der strukturellen Wirtschaftsmisere. Mit der anderen Hand verteilt er das Zusammengeplünderte bzw. das, was der geldverschlingende Apparat noch davon übrig gelassen hat, unter Bedürftigen als Almosen. Ein perpetuum mobile.

Alles ein liberales Horrorgemälde? Es ist auffällig, daß parallel zur Explosion der Staatshaushalte die Konzentration in der Wirtschaft zunimmt. Politik und Großkonzerne, denen es meist gelingt, fast keine Steuern zu zahlen, halten den Mittelstand in Schach. Ein Befreiungsschlag ist überfällig, doch noch scheint die Leidensgrenze der Bürger nicht erreicht.


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