© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Hans-Joachim Selenz
Kämpfer für Schill
von Claudia Hansen

Einen prominenten Neuzugang verbuchte letzte Woche die Partei Rechtsstaatlicher Offensive von Ronald Schill: Hans-Joachim Selenz wird Aufbaukoordinator für Niedersachsen. Der fünfzigjährige promovierte Ingenieur war lange Jahre Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG und Preussag Manager. Nach zwölfmonatiger FDP-Mitgliedschaft hat er nun überraschend seinen Übertritt bekanntgegeben. Als „Liberalkonservativer“, wie er sich selbst einschätzt, könne er den „Kurs der Beliebigkeit“ von Westerwelle und Möllemann nicht mehr länger ertragen. „Eine Koalition mit der SPD kommt für mich nicht in Frage“, poltert er, der ehemals einen guten Draht zu den Genossen hatte - auch zu Gerhard Schröder.

Mit dem Kanzler, seinem ehemaligen Duzfreund, hat er noch ein Hühnchen zu rupfen (siehe Seite 4): Gegen den Willen der Konzernleitung verhinderte Selenz 1998 den Verkauf der Salzgitter AG an eine ausländische Firma. Gemeinsam mit Schröder, damals noch Ministerpräsident in Hannover, verkündete Selenz unter dem Jubel der Belegschaft die „Rettung“ des Betriebs, indem das Land Niedersachsen von der Preussag die Anteile übernahm. Später wurden diese - mit mäßigem Erfolg - an der Börse plaziert. Schröder sonnte sich in den Schlagzeilen, gewann die Landtagswahl und schlitterte ein halbes Jahr später ins Kanzleramt. Und sein Freund Hans-Joachim Selenz? Der wurde auf Betreiben der IG Metall und der eng mit der SPD verflochtenen WestLB im März 1999 vor die Tür gesetzt. Anfragen im Landtag, Aufruhr in den Medien und ein juristisches Duell mit Preussag-Chef Michael Frenzel führten nicht zu der ersehnten Rehabilitierung - Selenz ging notgedrungen als Vorstand zum Autozulieferer Edag.

Für die FDP trat der bodenständige Ex-Manager im Herbst 2001 zur Oberbürgermeisterwahl in Salzgitter an und erhielt fast dreimal so viele Stimmen wie seine Partei. Die FDP bot ihm einen Bundestagswahlkreis an und reagierte „enttäuscht“ auf seinen Abgang zu Schill. Mit dessen Hilfe will Selenz die SPD-Regierung nach dem „Hamburger Vorbild ablösen“. Ein Büro in Peine ist bereits gemietet, demnächst sollen Orts- und Kreisverbände gegründet werden.

Selenz, der bereits als Landeschef der Schill-Partei gehandelt wird, reizt „die Riesenchance, das herkömmliche Parteiengefüge der Bundesrepublik aufzukrempeln“. Es seien zu wenig Fachleute und zu viele Karrieristen in der Politik. Neben den klassischen Schill-Themen wie Recht und Ordnung werde er sich im Wahlkampf auf die „katastrophale Bildungs- und Finanzpolitik“ konzentrieren. Das Land Niedersachsen betrachtet Selenz „mit seinen hohen Schulden und der hohen Nettokreditaufnahme als stehend k.o“. Die sportliche Metapher kommt nicht von Ungefähr: Selenz war früher Zehnkämpfer. Für die wahrhaft herkulische Aufgabe, das Parteiengefüge der Bundesrepublik „aufzukrempeln“, kann Schill einen solchen Mitstreiter gut gebrauchen.


 
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