© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Öko-Produkte bleiben in der Nische
Landwirtschaft: Die von Ministerin Künast propagierte Agrarwende stößt in der Biobranche auf Zustimmung
Alexander Barti

Die Grüne Woche, Europas größte Landwirtschafts- und Ernährungsmesse, stand diesmal ganz im Zeichen der sogenannten „Agrarwende“. Nach den BSE-Fällen vor einem Jahr und der kurz darauf ausbrechenden Maul-und-Klauen-Seuche (MKS), mußte Bundeslandwirtschaftsminister Funke (SPD) seinen Platz räumen. Die Verbraucher waren verunsichert, die Preise für Rindfleisch fielen ins Bodenlose, etliche landwirtschaftliche Betriebe kämpften um ihre Existenz. Die neue Ministerin, Renate Künast (Die Grünen), versprach nicht nur Besserung, sondern eine „Agrarwende“ zugunsten einer ökologischen Landwirtschaft, die den Konsumenten mit „sauberen“ Lebensmitteln versorgen sollte. Viele, vor allem die konventionellen Erzeuger, waren und sind skeptisch. Die Bauern fühlen sich an den Pranger gestellt, obwohl sie weder auf das Kaufverhalten der Verbraucher noch auf die Produktionsweise der Lebensmittelindustrie Einfluß haben. Die Masse der Käufer greift im Laden zu den billigsten Waren, so daß der Preiskampf der Lebensmittelbranche nach unten weitergereicht wird. Am Ende der Kette steht der Landwirt, der auch mit chemischem Einsatz das Letzte aus der Natur rauspressen muß, wenn er eine bescheidene Gewinnmarge abschöpfen will. Paradoxerweise werden die Lebensmittel trotzdem deutlich teurer. Wie das Statistische Bundesamt am 15. Januar mitteilte, sind die Preise für Lebensmittel seit der letzten Grünen Woche 2001 um 5,3 Prozent gestiegen. Für Molkereiprodukte mußte man sogar 7,8 Prozent mehr ausgeben, und die Fleisch- und Wurstwaren verteuerten sich ebenfalls um satte 7,6 Prozent. Auch bei den Getreideprodukten wurde trotz Rekordernte eine überdurchschnittliche Preissteigerung beobachtet: Weizenmehl verteuerte sich zum Beispiel um 7,9 Prozent.

Während der Deutsche Bauernverband Ministerin Künast für ihre proklamierte Agrarwende frontal angreift, schlägt der Deutsche Bauernbund leisere Töne an. Ihr Präsident Kurt-Henning Klamroth erklärte zur Grünen Woche, daß man von der neuen Agrarpolitik enttäuscht sei, weil sie sich um die konventionellen Bauern nicht kümmern würde. Der Deutsche Bauernbund begrüßt zum Beispiel das Verbot der Käfighaltung für Legehennen, bemängelt aber flankierende Maßnahmen. So würden Initiativen gegen die industrialisierte Putenmast fehlen. „Wir vermissen eine qualifizierte Auseinandersetzung mit den Agrarstrukturen in den ostdeutschen Bundesländern. Wo bleiben die Initiativen gegen Agrarfabriken? Wo bleibt das Verständnis für das Problem der Verjährung von LPG-Ansprüchen?“ fragte der Generalsekretär des Deutschen Bauernbundes, Jochen Dettmer.

Eindeutige Gewinner der neuen Agrarpolitik scheinen die vielfältigen Anbieter von Bio-Produkten zu sein. Der Vertriebsleiter der „Naturata“, die gleichzeitig mit dem Bio-Produzenten „Spielberger“ kooperiert, erklärte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß man die Politk von Frau Künast unterstützen würde. Zwar sei der Umsatz nach dem sprunghaften Anstieg während der BSE-Krise wieder etwas zurückgegangen, aber trotzdem habe man eine 20 bis 25 prozentige Umsatzsteigerung im vergangenen Jahr verbuchen können, und der Markt sei weiter auf Wachstumskurs. Auch von dem neuen Bio-Siegel „BIO - nach EG-Öko-Verordnung“, das nur Mindeststandards bei der ökologischen Erzeugung vorschreibt, zeigte sich Naturata-Sprecher Wirth beeindruckt. Daß damit die höheren Standards der anderen Anbauverbände, wie zum Beispiel Demeter oder Bioland, nicht mehr dem Verbraucher vermittelt werden könnten, wird nicht befürchtet. Das staatliche Bio-Siegel sichere die Grundqualität, so Wirth, und Aufgabe von „Naturata“ sei es, die noch bessere Qualität der eigenen Produkte zu unterstreichen.

Ähnlich optimistisch äußerte sich die Pressesprecherin von Demeter, Frau Herrnkind, gegenüber dieser Zeitung. Die BSE-Krise, bzw. die Agrarwende habe den Absatz von Demeter-Produkten um 30 Prozent gesteigert. Man sei optimistisch, die Neukunden auch halten zu können. Einzelne Rückmeldungen der Verbraucher („Der Weihnachtsbraten war noch nie so lecker ...“) ließen darauf schließen, daß viele Kunden bereit seien, für mehr Qualität und Geschmack tiefer in die Tasche zu greifen. Außerdem habe es auch verstärkt Anfragen von landwirtschaftlichen Betrieben gegeben, die sich nach den Umstellungskriterien erkundigt haben. Zu den bereits bestehenden rund 1.350 Demeter-Höfen mit insgesamt 51.175 Hektar Anbaufläche könnten bald schon 60 weitere Höfe hinzukommen. Als renommiertester und ältester Öko-Verband (gegründet 1924) hat Demeter keine Angst vor dem staatlichen Bio-Siegel. Man sieht dadurch vielmehr einen „Wettbewerb durch Qualität“ eröffnet, den man nicht scheuen brauche. Mit dem verstärkten Hinweis auf den besonderen „Genuß“ bei biologischen Lebensmitteln zeichnet sich ein neues Marketig-Konzept der Branche ab. Man will raus aus der Schmuddelecke der vermeintlich lustfeindlichen „Müslis“ und „Spinner“, als die die Anhänger alternativ erzeugter Lebensmittel in Teilen der Bevölkerung noch immer gelten.

Trotz aller Bio-Euphorie konnte die diesjährige Grüne Woche nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die Industrialisierung der Landwirtschaft durch Gentechnik und rechnergestütze Maschinen vorangetrieben wird. Die „high-tech“-Produkte werden weiterhin die Masse mit billiger Nahrung versorgen, dafür sprechen allein schon die Größenordnungen: So würde ein hundertprozentiger Anstieg des Bio-Verbrauchs den Marktanteil auf bescheidene vier Prozent ansteigen lassen.

Daß die deutschen Bauern in dieser Situation nicht gut auf entgrenzte Märkte zu sprechen sind, versteht sich von selbst. Mit der Osterweiterung der Europäischen Union, mit der ab 2004 vor allem agrarisch geprägte Volkswirtschaften in den umkämpften Markt drängen, werden weitere, vorwiegend mittlere und kleine Familienbetriebe in Deutschland dem Preisdruck nicht standhalten können und ihre Höfe aufgeben. Ob Bundeslandwirtschaftministerin Künast diese unschöne Entwicklung mit ihrer Agrarwende aufhalten kann, ist zu bezweifeln.


 
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