© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Blick in die Medien
Ostgeld
Ronald Gläser

Die Euro-Einführung wurde von einem medialen Dauerspektakel begleitet, mit dem höchstens die Harry-Potter-Verfilmung mithalten kann. In wochenlangen Werbefilmen versuchten uns Banken und Investmentfonds als Kunden an Land zu ziehen. Die Europäische Zentralbank sendete ab Ende Dezember Beiträge, in denen die neuen Geldscheine gezeigt wurden. Zum Jahreswechsel wurden Silvesterpartys in Euro-Partys umgewandelt. Vor allem einfach strukturierte Charaktere waren inzwischen extrem gespannt auf die neuen Geldscheine. Nach extensivem Glühweingenuß reihten sie sich in endlose Warteschlangen vor Geldautomaten, um als erste Banknoten in die Kamera halten zu können. Anschließend starteten Firmen Euro-Start-Angebote, Euro-Rabatte und Euro-Wochen. Der Bekleidungsriese C&A landete mit seinem Zwanzig-Prozent-Rabatt für Kartenzahler den größten Coup. Die Aktion wurde zwar auf Druck der Konkurrenz verboten. Der Konzern spart einen Batzen Geld, ist aber dennoch in aller Munde. Einige skurrile Nachrichten zeigen was die von Regierung, Wirtschaft und Einzelhandel erzeugte Europhorie verschleiert: Blüten sind offenbar bereits im Umlauf. Trickbetrüger, die sich als Bankbeauftragte ausgeben, ziehen reihenweise Senioren über den Tisch. Sogar alte DDR-Banknoten werden als Euro ausgegeben. Und in Berlin verzichteten Räuber in einem Lebensmittelgeschäft auf den Euro. Sie wollten nur die D-Mark-Bestände.


 
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