© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002

 
Der steinige Weg zur Erfolgspartei
Schill-Partei: Einige Übertritte von der Union sorgen für Medienwirbel / Antritt zur Bundestagswahl hängt vom Erfolg in Magdeburg ab
Peter Freitag

Eigentlich gibt es für die Partei Rechtsstaatlicher Offensive starken politischen Rückenwind: Die Basis drängt auf eine bundesweite Ausdehnung, vergangene Woche am die Partei (wie die Jungfrau zum Kinde) zu einem Landtagsmandat in Sachsen-Anhalt und eröffnete unter großer Anteilnahme der Medien ein weiteres Verbindungsbüro, diesmal im niedersächsischen Peine.

Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wieso die Schill-Partei ausgerechnet in Hamburg, wo sie mit markigen Sprüchen gegen den roten Filz erfolgreich zur Macht gelangte, dem politischen Gegner und den Medien ohne Not eine Breitseite besonders pikanter Art bietet. Anlaß für hämische Presseberichte bot Schills stellvertretender Vorsitzender, Senator für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung, Mario Mettbach, mit der Wahl einer persönlichen Referentin. Diesen Posten hatte der verheiratete ehemalige Berufsoffizier seiner „Lebensgefährtin“, der 26jährigen Verwaltungsangestellten Claudia Häde verschafft. Obwohl legal - die Anstellung Frau Hädes hatte der Personalrat abgesegnet, da tatsächlich ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Senator und dem persönlichen Referenten bestehen soll und auch die fachliche Qualifikation vorliegt - zeichnet sich der Schritt durch unglaubliche Naivität und Ungeschicklichkeit aus, da die Querelen um die schließlich gescheiterte Berufung von Schills damaliger Lebensgefährtin Kathrin Freund als Staatsrätin Mettbach noch in Erinnerung gewesen sein müßte.

Gerade gegenüber der Schill-Partei werden natürlich im Hinblick auf Ämterpatronage strengere Maßstäbe angelegt. So zeigte sich der Erste Bürgermeister Ole von Beust auch nicht amüsiert und verlautbarte, er hätte - bei vorheriger Kenntnis - Mettbach von diesem Schritt abgeraten, um nicht den Eindruck einer Verquickung beruflicher und privater Interessen entstehen zu lassen. Am Dienstag teilte die Pressestelle des Senators schließlich mit, Frau Häde habe unter dem großen Druck der Presse um die Entbindung von ihrem Amt gebeten. Mettbach habe diesen Schritt bedauert, dem Wunsch jedoch entsprochen. Weiter hieß es, Frau Häde werde sich spätestens bis zum 15. Februar beruflich neu positionieren.

Noch vor dieser Entscheidung hatte die Pressesprecherin der Schill-Partei, Karin Weber, auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mitgeteilt, daß Fraktion und Partei „hundertprozentig“ hinter Mettbach stünden. „Dennoch ist die Sache schade und bedauerlich, da sie eine unnötige Angriffsfläche bietet und von den Bürgern mißverstanden werden könnte“, so Weber.

Rätsel gibt der Parteivorsitzende Ronald Schill mit seinen Äußerungen zur Frage auf, ob seine Truppe bei der Bundestagswahl antreten wird. Schill hatte zunächst gesagt, man wolle nur antreten, wenn Angela Merkel Kanzlerkandidatin der Union werde. Widerspruch erfuhr er daraufhin von seinen Vorstandskollegen Norbert Frühauf und Mario Mettbach. Nun wiederum propagierte der Zweite Bürgermeister und Innensenator Hamburgs, daß sich die Partei Rechtsstaatlicher Offensive - ungeachtet der Entscheidung für Edmund Stoiber als Kandidat - zur Bundestagswahl stellen sollte. Angeblich, so ließ sich Schill vernehmen, habe man ihn aus den Reihen der CSU nun sogar explizit dazu aufgefordert. Diese Behauptung wies der CSU-Generalsekretär Thomas Goppel allerdings zurück. Skeptisch zeigte sich auch Schill Vorstandsmitglied Dirk Nockemann, ob die Partei in so kurzer Zeit personell für die Bundestagswahl gerüstet sein könne.

Pressesprecherin Weber erklärte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, was der Bundesvorstand der Schill-Partei am Montagabend einstimmig beschlossen hatte: Die endgültige Entscheidung soll auf dem Bundesparteitag am 27. April fallen, der Vorstand wird am 22. April seine Empfehlung aussprechen, die vom Ergebnis der sachsen-anhaltinischen Landtagswahl abhängig sein wird. „Wir spüren den Druck der Basis, daß wir antreten sollen; die Frage ist jedoch, ob wir den immensen organisatorischen Aufwand, der dann auf uns zukommt, bewältigen können“, so Weber zur JF.

In Sachsen-Anhalt rüstet sich der Schill-Ableger nun für die letzten Meter auf dem Weg zur formalen Parteiwerdung: Nachdem bisher landesweit elf Ortsverbände mit insgesamt über 850 Mitgliedern entstanden sind, soll auf dem ersten Landesparteitag am zweiten und dritten Februar in Halle ein Landesvorstand gewählt werden. Außerdem auf dem Programm steht die Beschlußfassung über Satzung, Partei- und Wahlprogramm, sowie die Nominierungen auf der Landesliste zur Landtagswahl im April.

Für jeden Posten gibt es mehrere Anwärter

Im Magdeburger Büro der Partei Rechtsstaatlicher Offensive wollte man keine Prognose abgeben, ob der Koordinator Ullrich Marseille auch Landesvorsitzender werde: „Für jeden Posten, der zur Wahl steht, wird es mindestens zwei Kandidaten geben“, so ein Mitarbeiter zur JF. Nicht ohne Stolz verwies man auf die strikte Basisdemokratie, die sich darin äußert, daß jedes Mitglied aktives und passives Wahlrecht auf dem Parteitag erhält und kein Delegiertensystem herrscht, welches vorherige Kungeleien hervorbringe, die in anderen Parteien gang und gäbe seien.

Für einigen Rummel sorgte der von einem großen Medienecho begleitete Übertritt der bisherigen CDU-Landtagsabgeordneten Gudrun Schnirch aus Dessau zur Schill-Partei. Frau Schnirch erläuterte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ihre Beweggründe für den Übertritt: „Ich sehe hier die Möglichkeit, etwas zu verändern; die bestand bei der CDU nicht mehr.“ Auch daß sie nicht mehr für die Landesliste der Union nominiert worden sei, habe zu ihrem Entschluß beigetragen. Dafür macht die 56jährige Diplom-Ingenieurin, die seit 1998 im Landtag sitzt, „Querelen inhaltlicher und personeller Art in der Dessauer CDU“ verantwortlich.

Dieser Deutung widersprach auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT der Dessauer CDU-Kreisvorsitzende Adolf Bill: Frau Schnirch sei bei der Nominierung mit zwei Stimmen Unterschied einem Gegenkandidaten unterlegen. Dies sei „ein ganz normaler Vorgang“, so Bill. Querelen lägen im Kreisverband nicht vor, statt dessen solle Frau Schnirch die Gründe für ihren Mißerfolg lieber bei sich selbst suchen. „Als Landtagsabgeordnete muß man den Kontakt zu den Ortsverbänden halten, um die notwendige Unterstützung bei der Nominierung wieder zu erhalten; das hätte Frau Schnirch wissen müssen. Wenn einem das nicht gelingt, darf man die Verantwortung nicht auf dem Kreisverband schieben”, so Bill, der früher selbst Mitglied des Landtags war. Eine große Konkurrenz sieht Bill in der Schill-Partei nicht heraufziehen. „Wir können als CDU diesen Teil des Wählerspektrums gut abdecken“, gab er sich der JUNGEN FREIHEIT gegenüber zuversichtlich.

Gudrun Schnirch sagte im Gespräch mit der JF, sie wolle sich auf dem Landesparteitag für ein Vorstandsamt in der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und eine Nominierung auf deren Liste zur Landtagswahl bewerben.

Nach dem gelungenen Coup zeigte man sich im Magdeburger Büro der Partei erwartungsfroh: „Wir stehen mit sieben weiteren Landtags- und einem Bundestagsabgeordneten in aussichtsreichen Übertrittsverhandlungen.“ Aus Rücksichtnahme gegenüber den Betroffenen habe man sich jedoch verpflichtet, deren Namen noch nicht bekanntzugeben. Will sie eine schlagkräftige Konkurrenz sein, muß sich die sachsen-anhaltinische Schill-Partei allerdings davor hüten, zum Sammelbecken derjenigen zu werden, die aus persönlicher Frustration für sich keine Zukunft mehr bei den etablierten Parteien sehen.


 
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