© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002

 
Meldungen

Heideggers Volkskonzept ohne NS-Affinitäten

FREIBURG. Die Gemeinschaftskonzeption des Philosophen Martin Heidegger (1889-1976) wird gemeinhin von Böswilligen irgendwo zwischen der Rektoratsrede von 1933 und den Hölderlin-Deutungen der Kriegszeit mit der NS-Volksgemeinschaftsideologie, dem „Diskurs des Völkischen“, identifiziert. Aus dieser politisch induzierten Engführung tonangebender Heidegger-Interpreten bietet die Hamburger Philosophin Anja Lemke einen Ausweg an (Philosophisches Jahrbuch, 1/01). Heideggers Volkskonzeption halte zwar an der Herstellbarkeit der Gemeinschaft fest. Ziel sei jedoch nicht jene „verhängnisvolle Totalität“ der NS-Ideologie, die zwangsläufig in den monolithischen Rassebegriff umschlägt. Heidegger habe - angesichts des Verlustes aller bindenden Werte, des neuzeitlichen „Götterverlustes“ - vielmehr die „Erzeugung einer Gemeinschaft der Fragenden, die sich im Gegeneinander immer wieder selbst in Frage stellt“, gefordert.

 

Historisierung der NS-Zeit schreitet voran

SEELZE. Stolze 37.000 Titel führt die jüngste Bibliographie über das wissenschaftliche Schrifttum zur NS-Zeit auf, dem am besten erforschten Abschnitt der deutschen Geschichte. Kein Wunder, daß sich der Münchner Historiker Magnus Brechtken in seinem Literaturbericht über die wichtigsten Neuerscheinungen des letzten Jahrzehnts (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 12/01) weise Beschränkung auferlegen muß. Und doch kann er wesentliche Tendenzen der historiographischen Bewältigung aufzeigen. Vor allem sei eine unaufhaltsame Historisierung zu erkennen. Bedingt durch den Zusammenbruch des Ostblocks werde die NS-Diktatur zunehmend in den „großen und perspektivisch umfassenderen“ Epochenkontext der „säkularen Religionen“ gestellt.

 

Kaiser Karl I. : Selbst für Sissi-Filme ungeeignet

WIEN. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger und Großonkel, Kaiser Franz Joseph I., hat Kaiser Karl I. in der Belletristik kaum bleibende Eindrücke hinterlassen. Kein Joseph Roth stand zur Verklärung bereit, nicht einmal die Sissi-Filme hatten einen Komparsen für ihn übrig. Der Krefelder Historiker Joachim Lilla kann jedoch anhand eines reichen Zitatenschatzes belegen, daß eine illustre Schar schreibender Zeitgenossen, von Carl J. Burckhardt über Thomas Mann bis zu Kurt Tucholsky und Max Weber sich mit dieser Untergangsgestalt des Habsburgerreiches befaßte (Österreich in Geschichte und Literatur, 2-3/01). Spott und Verachtung formten dabei das Bild eines Herrschers, von dem kein Charisma ausging und der nicht einmal als „Toter auf Madeira“ literarische Phantasien evozierte.


 
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