© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/02 01. Februar 2002

 
Zeitschriftenkritik: Der Holznagel
Bewußtsein für Heimatschutz
Ellen Kositza

Nach dem Krieg schossen in einst wunderschönen Städten graue Betonkrater in die Höhe, in ländlichen Gebieten wie an den Stadträndern beziehen heute junge Familien die ewiggleichen, regional ununterscheidbaren Reihenhäuschen in Leichtbauweise und Karnickelstallmanier; abgezirkeltes Vorgärtchen, koniferenumstellt: „Lauter Häuser, kaum noch eine Luft dazwischen, Häuser wie ein Ausschlag, der um sich greift“ (Gerd Gaiser). Dem Ausverkauf alter Bausubstanz in Gestalt tausender leerstehender, vom Verfall bedrohter Häuser will die Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V. (IGB) entgegenwirken. Der Holznagel, das zweimonatlich erscheinende, 64 Seiten starke Mitteilungsblatt der IGB berichtet anhand bewegender Beispiele von der ausgreifenden Vereinsarbeit, die sich zum Ziel setzt, in Bürgern und Behörden ein Bewußtsein für Baukultur zu entwickeln. Wie sehen Fenster aus, die nicht plastikbewehrt und öd in die Umgebung glotzen? Was sind die typischen Baukennzeichen einer Region? Ein Foto eines ruinösen Herrenhauses, über Jahre ungenutzt „vorher“, und daneben eines „nachher“, nachdem eine Familie Zeit, Kraft und möglichst wenig Fremdarbeit einsetzte, um ein beeindruckendes Monument mit Ausstrahlung bewohnbar zu machen. Oder: Eine eingestürzte Dorfkirche im Fläming, der Abriß ist vom Amt beschlossen. Der IGB greift mit reger Öffentlichkeitsarbeit ein, entwickelt mit der Denkmalschutzbehörde Sanierungskonzepte - und das Gotteshaus wird gerettet.

Die IGB wurde 1975 als Zusammenschluß von traditionsbewußten Bürgern, die sich für die Pflege und Erhaltung von alter Bausubstanz vor allem im ländlichen Raum einsetzen, gegründet und zählt heute bundesweit über 5.000 Mitglieder, die regional organisiert sind. In allen Bundesländern stellt sie kompetente und engagierte Ansprechpartner, die sämtlich ehrenamtlich tätig sind. Die Initiativen und Aktivitäten des Verbandes werden von privater wie öffentlicher Seite gleichermaßen genutzt und geschätzt. Neben beratender Tätigkeit bei der Sanierung und Umnutzung alter Mühlen, Guts- und Bauernhäuser bieten die Mitglieder in Seminaren Anleitung zu traditionellen Handwerkstechniken wie Lehmarbeiten am Fachwerk, Weidengeflechte und hegende Gartenarbeit an.

Im Holznagel werden auch Fälle geschildert, wo Spekulantengebaren für den Abriß wertvoller, erhaltenswerter Häuser sorgte und die Denkmalschutzbehörde schwieg. „Wer bestimmt eigentlich über die Gestaltung unseres Lebensumfeldes, besonders in den Städten? Der Bürger als Souverän oder Investoren, Baubehörden und Städteplaner, die manchmal die wahren Herren im Lande zu sein scheinen? Wir sind das Volk! Und dem gehört die kulturelle Heimat!“, beklagt Bundesvorsitzender Dietrich Maischmeyer die umgreifende ästhetische Verwüstung des bebauten Lebensraums. Der Holznagel und der herausgebende Verband wollen dem entgegenwirken, Einfluß nehmen, Interesse wecken. Die Bewahrung und sinnvolle Nutzung alter Kulturdenkmäler ist Heimatschutz im besten Sinne.

Bezug: Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V., Postfach 1244, 28859 Lilienthal. Internet: www.igbauernhaus.de 


 
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