© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/02 08. Februar 2002

 
Jassir Arafat
Der alte Wüstenfuchs
von Werner Olles

Am Morgen des 21. März 1968 rollen israelische Panzer über die Allenby-Brücke und stoßen bis Karameh vor, wo sie mit der systematischen Zerstörung der Stadt beginnen. Die Fedayin der „Al Fatah“ wehren sich verzweifelt. Am Abend ziehen sich die Israelis, nachdem sie die kleine Grenzstadt im Jordantal fast dem Erdboden gleichgemacht haben, zurück.

Obwohl ihr Lager zerstört ist, feiert „Al Fatah“ die Verteidigung Karamehs wie einen Sieg. Wenige Tage später gibt ein knapp vierzigjähriger Fedayin in schwarz-weißer Keffiya eine Erklärung ab: „Dieser Kampf war erst der Anfang. Wir sind zum Kämpfen gezwungen, weil uns niemand helfen will. Wir sind auf einen langen Krieg gefaßt, auf einen Volkskrieg!“ Der Name des Mannes, mit der Maschinenpistole vor sich auf dem Tisch, ist Jassir Arafat. Die Fedayin nennen ihn Abu Amar.

Jassir Arafat wurde am 4. August 1929 in Jerusalem geboren. Sein richtiger Name lautet Mohammed Abed Ar’uf Arafat. Er entstammt einer palästinensischen Honoratiorenfamilie aus Kaufleuten und Grundbesitzern. Es ist dieses Bürgertum, das den Gedanken an einen unabhängigen Staat Palästina, den es in der Geschichte nie gegeben hat, seit Jahrzehnten aufrecht erhält. Während seines Bauingenieurstudiums in Kairo wird Arafat in der Organisation Palästinensischer Studenten politisch aktiv. Er anvanciert zum Vorsitzenden, sein Vize Salah Kahlaf („Abu Ijad“) gründet später die Terrorgruppe „Schwarzer September“.

1959 etabliert Arafat, der sich inzwischen in Kuwait niedergelassen hat, die Untergrundorganisation „Al Fatah“. Fasziniert vom Befreiungskampf der algerischen FLN, ruft „Fatah“ zum bewaffneten Kampf gegen Israel auf. Arafat widmete sich nun ganz der palästinensischen Revolution. Nach der beschämenden militärischen Niederlage der Araber gegen Israel 1967 gilt Karameh ein Jahr später als Fanal für tausende junge Palästinenser. 1969 wird er Vorsitzender der PLO, doch jetzt häufen sich die Niederlagen. König Hussein wirft die Palästinenser in aufreibenden Kämpfen aus Jordanien. 1982 marschiert Israel im Libanon ein und zwingt die PLO-Führung ins Exil nach Tunis. Bereits die erste Intifada 1987 wurde von jungen, unabhängigen Palästinensern organisiert. Heute ist dies noch stärker der Fall. Für die Kämpfer von „Tanzim“ und „Hamas“, hat sich die alternde Symbolfigur Arafat vom Nationalrevolutionär über den Diplomaten zum autokratischen Herrscher gewandelt, der über die Köpfe seines Volkes hinweg die UN-Resolution 242 - und damit das Existenzrecht Israels - anerkannt hat. Von Israel zu Hausarrest verurteilt, und damit auf internationaler Ebene politisch und diplomatisch kaltgestellt, scheint Arafats politische Laufbahn zu Ende zu gehen. Scharons jüngster „Ausrutscher“, man habe ihn schon seinerzeit in Beirut liquidieren sollen, könnte jedoch auch darauf hindeuten, daß die israelische Führung immer noch mit dem alten Fuchs rechnet. Totgesagte haben manchmal ein langes Leben.


 
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