© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/02 08. Februar 2002

 
WIRTSCHAFT
Roter Zorn auf blauen Brief
Bernd-Thomas Ramb

Der Kanzler hat auf dem Weltwirtschaftsforum in New York seinen Unmut über die Absicht der EU geäußert, Deutschland einen „Blauen Brief“, also eine Mahnung wegen der hohen Neuverschuldung zu überreichen. Schröder vermutete andere (wahlbeeinflussende) als ökonomische Gründe für diese EU-Aktion. Sachlich gesehen ist die Kritik des Kanzlers teilweise nachvollziehbar. Deutschland erreicht noch nicht den Grenzwert der zulässigen Verschuldung in Höhe von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die Bundesregierung trifft keine Alleinschuld. Mehrere Bundesländer tragen mit ihrer Neuverschuldung nicht unerheblich zu der finanzpolitisch mißlichen Lage bei - wie nicht zuletzt auch die dramatisch verschuldeten Kommunen.

Andererseits ist der Bundesetat „scharf auf Kante genäht“, wie Finanzminister Eichel formuliert. Die Brüssler Stabilitätswächter rügen daher zurecht den finanziellen Eiertanz. Ihnen dabei eine gewisse Häme zu unterstellen, weil es neben dem kleinen Portugal nun auch einen der Großen trifft, ist naheliegend. Zumal Deutschland die scheinbar kleinlichen Stabilitätskriterien zu Zeiten Kohls und Waigels mit Vehemenz durchgesetzt hatte. Den Euro wollte man schützen - und das ist gut so. Der Inflationsverdacht ist noch nicht vom Tisch. Die ersten Preisvergleiche werden zwar heruntergeredet, kündigen jedoch mit 2,5 Prozent Preissteigerung im Januar das Potential der Geldentwertung deutlich an. Das Konzept der „scharfen Kante“ erweist sich da als wenig tragfähig. Jedes kleine Wackeln der Konjunktur nach unten kann den endgültigen Bußgeldbescheid aus Brüssel bewirken. Daß das Schröder nicht in sein Wahlkampfkonzept paßt, ist verständlich, entschuldigt aber nicht sein grundsätzliches wirtschaftspolitisches Versagen.


 
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