© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002


Der Deutsche Film im Aufwind
Vom weiten Weg zu höherem Niveau
Claus-M. Wolfschlag

Der deutsche Film scheint langsam auf dem Weg der Genesung, ganz ohne die „Neue Deutsche Komödie“ der neunziger Jahre. Beispielsweise eröffnete Tom Tykwers bemerkenswerte Psycho-Thriller „Heaven“ die diesjährige Berlinale und erntete Lob bei der internationalen Filmkritik.

Dennoch existiert noch viel Reformbedarf im deutschen Kinogeschäft. Als im letzten Jahr das Internationale Filmfestival in Cannes seine Tore öffnete, zogen deutsche Regisseure und Produzenten wieder lange Gesichter. Nicht ein einziger deutscher Beitrag hatte es in die Endauswahl um die Goldene Palme 2001 geschafft.

Unbekannte Regisseure und junge Produktionsgesellschaften haben hierzulande mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Ambitionierte Werke, wie beispielsweise Philip Grönings „l’ amour, l’ argent, l’ amour“ haben Schwierigkeiten, eine Verleihfirma zu finden. Junge Idealisten, wie Thomas Draschan und Sascha Linse, die kürzlich in Frankfurt am Main ein Filmfestival auf die Beine stellten, sehen sich mit persönlichen Schulden im sechsstelligen Bereich konfrontiert.

Daß die wirtschaftliche Statistik dennoch nicht allzu düster aussieht, liegt an erfolgreichen Ausnahmen, an „Ausreißem“, denen meist Überraschungserfolge in der Zuschauergunst glücken. So hatten deutsche Filme 2001 durchaus auch wirtschaftliche Siege aufzuweisen. Das beweist nur die Winnetou-Persiflage „Der Schuh des Manitou“ von Regisseur Michael „Bully“ Herbig, der über neun Millionen Besucher in die Kinos lockte und dadurch zum erfolgreichsten heimischen Kinofilm aufstieg.

Eine stärkere wirtschaftliche Orientierung der deutschen Kinoproduktion könnte sicher dazu beitragen, die vielerorts noch spür- und erklärbare Distanz des Publikums zu deutschen Produktionen zu überwinden. Ein anderes Problem könnte daraus erwachsen, daß möglicherweise bei zu starker Fixierung auf wirtschaftliche Gesichtspunkte die geistig-kulturelle Inhaltlichkeit leidet. Die Inhalte bleiben heute noch meist gegenwartsfixiert und unterliegen einem sehr engen individuellen Blickwinkel. Gerade angesichts der Behandlung von Stoffen aus der deutschen Geschichte jenseits der volkspädagogischen NS-Vergangenheitsbewältigung und des linken Agitprop wird immer wieder das Argument angeblich mangelnden Zuschauerinteresses angeführt. So auch gegenüber Hardy Martins Kriegsgefangenendrama „So weit die Füße tragen“.

Deutscher Historienfilm ist in der Regel ein Tabu. Kein Geld, kein Zuschauerinteresse, kein seelischer Zugang der Verantwortlichen. Kein Film über die Vertreibung, die 1848-Revolution, die Befreiungskriege, die Reformation, die Welt Karls des Großen oder Armins des Cheruskers. Doch keine Sorge. Die neuen Filmstoffe werden immer rarer. Wenn genügend Geld vorhanden ist, werden irgendwann auch ganz neue Filmthemen entdeckt werden. Ein zwangsläufiges Gesetz der Filmwirtschaft auf der Suche nach neuen Genres. Es dürfte dann nicht nur bei der Ufa-Verfilmung zur „Wilhelm Gustloff“' bleiben.


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