© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
Kolumne
Richtungswechsel
Heinrich Lummer

Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß mit der rot-roten Koalition eine Art Richtungswechsel verbunden ist. Die gesuchte sozialistische Harmonie und der Traum von der Einheit der Arbeiterklasse haben zusammengeführt was zusammengehört. Aber gewiß wird der Taktstock der SED/PDS spürbarer sein als eine Richtlinienkompetenz des Herrn Wowereit. Es mag wohl sein, daß aus dem Regierenden ein regierter Bürgermeister wird. Die PDS wird dafür sorgen, daß die Handschrift der Kommunisten erkennbar ist. Oft zeigen sich solche Richtungswechsel zunächst im Kleinen.

Da soll nun in der Stadtmitte ein Rosa-Luxemburg-Denkmal errichtet werden. Das war ein alter Plan der SED. Gewiß war die Luxemburg ein Opfer der Reaktion. Aber eine Demokratin war sie nicht. Nicht jedes Opfer der Reaktion verdient ein Denkmal.

Die Sicherung des Weltkulturerbes Berlin mutiert im Koalitionsvertrag von einer „nationalen“ zu einer „gesamtstaatlichen“ Aufgabe. Die neue Justizsenatorin läßt uns wissen, das Beibehalten von Stasi-Überprüfungen sei eine „typisch deutsche Eigenschaft“. Bezogen auf die Nazivergangenheit hat man derartiges von Sozialisten nie gehört. Hinsichtlich der Geschichte kommunistischer Untaten soll offenbar nach wenig mehr als zehn Jahren der Schlußstrich gezogen werden. Wenn der Parlamentspräsident Momper die Anschrift des Berliner Abgeordnetenhauses dahingehend ändert, daß der Name der Kommunistin Niederkirchner wieder auftaucht, dann ist das gewollte Symbolik. So setzt man Zeichen. Bei der Schließung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin geht es nicht nur ums Sparen. Die Freie Universität wurde gegen die unfrei gewordene Ostberliner Humboldt-Universität gegründet. Die USA haben großzügig gespendet. Der Henry-Ford-Bau und das Benjamin-Franklin-Klinikum legen davon Zeugnis ab. Diese Universität war den Kommunisten stets ein Dorn im Auge. Wer die medizinische Fakultät der Freien Universität entsorgen will, wird ihr schließlich das Lebenslicht ausblasen. Diese Liquidierung ist offensichtlich beabsichtigt. So kann man Geschichte bereinigen und nebenbei den Amerikanern eins auswischen. Natürlich wird der Eintritt der PDS in den Senat auch dazu führen, daß die verfassungswidrigen Teile der PDS demnächst nur noch oberflächlich und dann gar nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Richtungsänderung wird darin bestehen, daß der Kommunismus rehabilitiert und gesund gebetet wird. Und genau das will man. Ein Schuft, wer Schlechtes dabei denkt.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a.D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen