© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
PRO&CONTRA
Autohandel liberalisieren?
Christoph Konrad / Bernd Gottschalk

Die Vorschläge von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti zur Neuregelung der im September auslaufenden Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) im Automobilvertrieb stärken den Wettbewerb der Händler untereinander ebenso wie die Stellung des Handels gegenüber den Herstellern. Änderungsbedarf besteht dagegen hinsichtlich der nun möglichen Niederlassungsfreiheit von Vertragshändlern im EU-Ausland, wie auch bei der Möglichkeit, uneingeschränkt Niederlassungen auf dem jeweiligen nationalen Markt zu gründen. Damit entfällt der sogenannte Gebietsschutz vollständig.

Der nötige Strukturwandel darf allerdings nicht zum Strukturbruch führen, weshalb eine Verlängerung der Übergangsfristen noch einmal überdacht werden sollte. Letzten Endes werden aber auch die Verbraucher von der Liberalisierung profitieren, die bisher den national aufgeteilten Vertriebsgebieten mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert sind und noch immer Preisunterschiede von mehr als einem Drittel für das gleiche Auto innerhalb der Europäischen Union hinnehmen müssen. Zurückzuweisen sind Vorwürfe aus der Automobilindustrie und von den Händlerverbänden, daß mit der GVO-Neuregelung ein Konzentrationsprozeß insbesondere bei kleinen Werkstätten und Händlern ausgelöst würde. Es sind vielmehr die Hersteller selber gewesen, die zum Teil flächendeckend ihren Händlern die Verträge gekündigt und diese erst nach massiven Zusatzinvestitionen wieder als Vertriebspartner zugelassen hätten. Die bisherige Beschränkung der Händlernetze durch die Konzerne und die Einschränkung des grenzüberschreitenden Vertriebs sind im Zeitalter von Euro und Europäischem Binnenmarkt weder zeitgemäß noch rechtlich haltbar. Die europäische Autoindustrie wird deshalb nicht umhinkommen, sich dem Wettbewerb zu stellen und dem Verbraucher die freie Wahl zu überlassen, wo er sein Auto kauft bzw. reparieren läßt.

 

Dr. Christoph Konrad ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter zum Thema. Inhalte sind aus einer Pressemitteilung vom 6. Februar/Homepage übernommen.

 

 

Die deutsche Automobilindustrie lehnt den Vorschlag, der von EU-Kommissar Mario Monti sogar noch kurzfristig weiter verschärft wurde, entschieden ab. Denn er richtet sich gegen die Interessen der Verbraucher und führt zum Verlust Tausender von Arbeitsplätzen im mittelständisch strukturierten Automobilhandel.

Das Verbot der Verwendung von Niederlassungsklauseln ist zudem der falsche Ansatz, um eine Vereinheitlichung der Verkaufspreise erzielen zu können. Schon jetzt sind im Kfz-Handel kaum mehr die zum Überleben der Handelsbetriebe erforderlichen Margen durchzusetzen. Der an Härte kaum mehr zu überbietende Wettbewerb zwischen den Marken und den Händlern ermöglicht den Verbrauchern bereits heute, Neufahrzeuge mit einer umfänglichen Ausstattung zu günstigen Preisen zu erwerben. Das Haupthindernis für die Verringerung der Preisunterschiede in der EU ist weiterhin die fehlende Harmonisierung der nationalen Verkaufssteuern, die Neufahrzeuge um bis zu 200 Prozent verteuern. Hier müssen erst einmal Kommission und Mitgliedstaaten ihre Hausaufgaben erledigen.

Mit der Erlaubnis, unterschiedliche Marken in ein und demselben Ausstellungsraum anzubieten, wird die Markenexklusivität in hohem Maße gefährdet. Dies treffe vor allem die Hersteller technisch hochwertiger Fahrzeuge, die damit auf ein wesentliches Element ihrer Wettbewerbsstrategie verzichten müssten. Allen voran haben in den letzten Jahren die deutschen Hersteller gewaltige Anstrengungen unternommen, ihr Markenimage - über das „Made in Germany“ hinaus - zu schärfen. Mit dieser Strategie der Markenprofilierung haben sie weltweit außerordentliche Markterfolge verbuchen können. Ein Ausbremsen der Markenexklusivität nach Kommissionsmuster im „Home Market“ Europa würde gerade diese für die Exporterfolge ausschlaggebende Plattform beschädigen.

 

Prof. Dr. Bernd Gottschalk ist Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).


 
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