© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
Das große Schattenboxen im Verbotsverfahren
NPD-Verbot: SPD-Politiker fordert Disziplinarmaßnahmen gegen Gewerkschaftschef der Polizei / Gerüchteküche um neue VS-Spitzel brodelt weiter
Thorsten Thaler

Dem baden-württembergischen Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Dieter Berberich, droht ein Disziplinarverfahren wegen seiner Äußerungen zum NPD-Verbotsverfahren. „Wieso beschäftigt ein Land wie Baden-Württemberg einen so unfähigen Polizeibeamten?“, wunderte sich der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, in der Sächsischen Zeitung. Gegen den „Oberwichtigtuer“ müßten disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet werden, forderte Wiefelspütz.

Berberich hatte in der vergangenen Woche die Vermutung geäußert, verdeckte Ermittler der Polizei könnten an NPD-Reden mitgeschrieben haben, die Gegenstand des Verbotsverfahrens in Karlsruhe seien. Konkrete Beweise für seine Behauptung legte Berberich bislang nicht vor.

Nach Auffassung von Wiefelspütz muß ein langjähriger Polizeibeamter wissen, daß er in einem derart sensiblen Bereich keine so gravierenden Behauptungen aufstellen dürfe, ohne Belege nennen zu können. Diese „Aufschneiderei“ müsse Konsequenzen haben. Er werde sich deshalb an den baden-württembergischen Innenminister Thomas Schäuble (CDU) wenden und um eine Stellungnahme bitten, sagte der SPD-Politiker.

Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Gerhard Vogler, ging auf Distanz zu Berberich. Er habe den baden-württembergischen Landeschef gewarnt, seine Vermutungen öffentlich zu machen, sagte Vogler ebenfalls der Sächsischen Zeitung. Ihm selbst lägen keine Informationen über die Mitwirkung von verdeckten Ermittlern an NPD-Reden vor.

Am Mittwoch wollte der Innenausschuß des Bundestages erneut Innenminister Otto Schily (SPD) zur Rolle der V-Leute in der NPD befragen.

Währenddessen brodelt es in der Gerüchteküche um immer neue angebliche VS-Spitzel munter weiter. Auf der Internet-Seite seiner Zeitschrift Signal behauptet der Kölner Verleger und Publizist Manfred Rouhs, daß der Bundesgeschäftsführer der NPD, Frank Schwerdt, nun als Agent entarnt sei. Er beruft sich dabei auf eine Meldung des Kölner Stadt-Anzeigers. Der allerdings hatte ohne Nennung eines Namens lediglich von einem weiteren V-Mann in der NPD berichtet. Auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT sagte Manfred Rouhs am Dienstag, er habe „eine sichere Quelle in Gerichtskreisen“, die er jedoch nicht preisgeben könne. Er bleibe aber bei seiner Aussage.

Frank Schwerdt hat eine kurvenreiche politische Laufbahn hinter sich. Ende der sechziger Jahre Mitglied der NPD, führte er später elf Jahre lang einen CDU-Ortsverband. 1989 wechselte er zu den Republikanern, deren stellvertretender Landesvorsitzender er wurde. 1997 kehrte er in die NPD zurück. Im Verbotsverfahren gegen die Partei gehörte er zu den 14 vom Bundesverfassungsgericht geladenen Auskunftspersonen. Nach der Enttarnung des NPD-Mitglieds Wolfgang Frenz als VS-Zuträger hat Innenminister Schily ausgeschlossen, daß sich unter diesen Personen weitere V-Leute des Verfassungsschutzes befinden.

Die NPD ließ inzwischen verlauten, Manfred Rouhs werde diese „abenteuerliche Geschichte“ teuer zu stehen kommen. Frank Schwerdt kündigte an, Strafanzeige gegen Rouhs zu erstatten und Schmerzensgeld einzufordern. Bereits Anfang Februar hatte Schwerdt Zeitungsberichte, er sei Mitarbeiter eines Geheimdienstes, zurückgewiesen. Die Meldungen, die offensichtlich in Zusammenhang mit Äußerungen des Weimarer PDS-Bundestagsabgeordneten Carsten Hübner stehen, seien „völlig aus der Luft gegriffen“, versicherte Schwerdt, der seit April 2001 auch NPD-Landeschef in Thüringen ist.

Ebenfalls in der ersten Februarwoche hatte Rouhs Strafanzeige gegen den Rechtsanwalt der NPD, Horst Mahler, wegen Parteiverrat erstattet (JF 8/02). Rouhs verdächtigt den früheren RAF-Terroristen Mahler, für den Verfassungsschutz tätig zu sein. Von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin war bislang keine Auskunft über den Stand der Angelegenheit zu erhalten. 


 
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