© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
Nonkonformes Radio mischt sich ein
Polen: Der katholische Rundfunksender „Radio Maryja“ kämpft gegen den Liberalismus
Jaroslaw Jot-Druzycki

Gelobt sei Jesus Christus und die Jungfrau Maria! Hier ist Radio Maryja, die katholische Stimme in Deinem Haus“ - seit zehn Jahren ertönt dieser Gruß in Millionen polnischer Haushalte; Dank der Kurzwellen-, Satelliten- und Internetübertragung ( www.radiomaryja.pl ) kann der Sender auch in den USA, Deutschland, Litauen, Rußland oder Australien empfangen werden. Entgegen einer ersten Vermutung handelt es sich bei „Radio Maryja“ nicht um eine lokale Variante von Radio Vatikan.

Der Rundfunk wurde im Dezember 1991 in Thorn an der Weichsel (Torun) von Pater Tadeusz Rydzyk, Ordensbruder der Redemptoristen (CSsR), gegründet; möglich war das durch ein Gesetz aus den achtziger Jahren, als die Kommunisten ihr Verhältnis zur Kirche verbessern wollten; damals garantierten sie für jede Diözese einen katholischen Rundfunksender. Die polnischen Bischöfe wußten mit der Möglichkeit nichts anzufangen - bis der unbekannte Geistliche Tadeusz Rydzyk, nach einem längeren Aufenthalt aus der Bundesrepublik in seine Heimat zurückkehrte.

Der Sage nach wurde „Radio Maryja“ 1990 bei dem Grab der Heiligen Schwester Faustine in Krakau-Lagiewniki „gegründet“; Pater Rydzyk definierte die Aufgabe des Senders folgerichtig als Neuevangelisation des Landes. Woher die Gelder zum Start des Senders kamen - darüber schweigt die Sage. Wahrscheinlich waren es Spenden aus dem Westen; bis heute unterhält sich der Sender von finanziellen Zuwendungen der Hörerschaft.

Das Programm von „Radio Maryja“ ist selbstverständlich von der Religion geprägt: Gottesdienste werden übertragen, Gebete gesprochen und Überlegungen zum Evangelium angestellt; die Hörer können telefonisch mitwirken. Pater Rydzyk ließ es aber nicht nur bei Predigten der Frohen Botschaft bewenden, sondern engagierte sich auch für politische Sendungen. Die populärste war - und ist es bis heute: „Die unbeendeten Gespräche“. Bei einem Vortrag über die innere Sicherheit und den „Ausverkauf Polens“ riefen aufgebrachte Hörer an und schilderten, wie schlimm die Lage der Nation in Wirklichkeit sei.

Von Beginn an verstand sich der christliche Sender als Gegengewicht zu den linksliberalen Intellektuellen. Die von den Medien verspotteten Werte, die Kirche, das Vaterland und die Familie fanden in „Radio Maryja“ eine kraftvolle Verteidigerin. Merkwürdigerweise wurde dem Klerus der Erfolg des Senders zunehmend suspekt; man wollte keine Einmischung in sozialpolitischen Fragen, Rydzyk sollte sich weiterhin hauptsächlich um den Katechismus kümmern. Doch die Angriffe der Liberalen und die Ermahnungen der Bischöfe fruchteten nicht. Pater Rydzyk quittierte die Kritik mit den Worten: „Was kümmert’s den Mond, wenn ihn die Hunde anbellen - halleluja und vorwärts!“

Das „Vorwärts!“ zeigte sich in der „Familie des Radios Maryja“, eines Hörervereins, der bald gegründet wurde und der inzwischen fast in jeder Kirchengemeinde seinen Kreis hat. Als der Fortbestand des Radios akut gefährdet war, weil der staatliche Rundfunkrat die versprochenen Frequenzen nicht gewähren wollte, demonstrierten Tausende der Hörer in Warschau.

Im vergangenen Jahr spaltete sich der rechte Flügel der bis dahin regierenden „Wahlaktion Solidarnosc“ (AWSP) ab und gründete den „Bund der polnischen Familien“ (Liga Polskich Rodzin, LPR), der mit 7,87 Prozent der Wählerstimmen und 38 Abgeordneten in das Polnische Parlament (Sejm) in Warschau einziehen konnte. Entscheidende Unterstützung erhält der LPR durch den katholischen Sender.

Unter anderem fordert der „Familienbund“ das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen. In Heft 273/2001 der bundesdeutschen Informationen zur Politischen Bildung heißt es dazu warnend, die LPR stehe „für die rechtliche Durchsetzung katholisch-fundamentalistischer Werte“. Bei den Kommunalwahlen im Herbst erwartet man eine Erstarkung des „Familienbundes“ - als Gegengewicht zur jetzigen Linksregierung. Trotz der Erfolge bleibt „Radio Maryja“ für die polnischen Rechten ein Rätsel. Nicht jeder konservative Politiker wird in das Studio eingeladen; aber auf der nationalen Bühne entscheidet eine Einladung inzwischen über die politische Karriere; ohne den Segen von „Pater-Direktor“ Rydzyk kann man viel verlieren.

Der strikte Kurs der „Marianischen“ Katholiken stößt bei der Mehrheit der Gläubigen auf Argwohn; der Zusatz „und Jungfrau Maria“ in der traditionellen Grußformel könnte das Kennzeichen einer Sekte sein, mutmaßen die Skeptiker. Der Primas von Polen, Jozef Kardinal Glemp, antwortete auf die Frage, wie er den Sender einschätzen würde: „Radio Maryja entwickelt eine eigene Gesellschaftsvision, die von dem fortwährenden Kampf gegen Personen oder Institutionen gestützt wird; der Religionsunterricht ist tadellos, aber ich meine, daß die Popularität von Radio Maryja nur eine Frage einiger Jahre ist. Ein solches Verhalten, diese Emotionen und die Schreiereien, das kann nicht lange dauern. Mit rationellen Argumenten kommt man weiter.“


 
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