© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
Viktor Orbán
Smart und erfolgreich
von Alexander Barti

Als die kommunistische Diktatur zu bröckeln begann, entschloß sich die ungarische Regierung, den verscharrten Leichnam von Imre Nagy feierlich zu bestatten. Nagy war bei dem Aufstand von 1956 Ministerpräsident und wurde später, obwohl er sich von der „Diktatur des Proletariats“ nie losgesagt hatte, von seinen Kollegen liquidiert. Bei dem Festakt am 16. Juni 1989 kam es zum Eklat: Ein 26jähriges Milchgesicht forderte in einer leidenschaftlichen Rede freie Wahlen und den Abzug der Sowjetischen Truppen. Der Mann, der mit dieser Rede auf einen Schlag bekannt wurde, hieß Viktor Orbán.

Heute sorgt der inzwischen zum Ministerpräsidenten avancierte Orbán erneut für Furore: Er fordert die Abschaffung der Benes-Dekrete, unter denen auch die ungarische Minderheit in der heutigen Slowakei Schreckliches erleiden mußte.

Am 31. Mai 1963 wurde Viktor Orbán in Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) geboren; sein Vater war LPG-Ingenieur, seine Mutter arbeitete als Logopädin. 1981 leistete er, mit dem Abitur in der Tasche, seinen Wehrdienst. Er diente bis 1982 und begann dann sein Jurastudium an der renommierten Eötvös-Loránd Universität in Budapest.

Zur Politik kam Orbán, als er im März 1988 den „Bund der Jungdemokraten“ (Fidesz) mitbegründete. Die Jungdemokraten waren damals die Juniorpartner der ebenfalls 1988 gegründeten „Freidemokraten“ (SZDSZ); heute bekämpfen sich beide Parteien bis aufs Messer. Mit Hilfe des US-Milliardärs ungarisch-jüdischer Abstammung, György Soros, reiste Orbán im September 1989 nach Oxford; das Pembroke College wurde sein neues Zuhause. Als sich die Ereignisse in jenen Wendezeiten überschlugen, brach Viktor - inzwischen promoviert und verheiratet - seine Fortbildung ab und zog nach den Wahlen 1990 als Abgeordneter in das Ungarische Parlament ein. Ministerpräsident wurde József Antall vom konservativen „Ungarischen Forum“ (MDF). Vier Jahre später konnten die Ex-Kommunisten mit Gyula Horn einen überwältigenden Sieg feiern und kehrten, in Koalition mit dem SZDSZ, in das Zentrum der Herrschaft zurück. Die folgende Regierungsperiode zwischen 1994 und 1998 war von Korruption und wirtschaftlichem Niedergang gekennzeichnet. Orbáns Partei blieb in der Opposition und begann unter seinem Vorsitz, eine bürgerlich-konservative Richtung einzuschlagen. 1998 wurden die Bemühungen mit Erfolg belohnt, Fidesz wurde stärkste Fraktion und Orbán mit 35 Jahren der jüngste Ministerpräsident Europas. Die junge Truppe um den smarten Staatschef krempelte das Land erfolgreich um; das Realeinkommen steigt seitdem, die Inflation und Arbeitslosenquote sinkt hingegen.

Im April 2002 stehen erneut Wahlen an, und vieles deutet darauf hin, daß Viktor Orbán - inzwischen Vater von vier Kindern - im Amt bleibt - trotz der linksliberalen Medienkritik.


 
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