© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
Ein Nagelkreuz schwebt über Potsdam
Garnisonkirche: Streit um äußeres Erscheinungsbild spitzt sich zu / Kirche für sakrale Nutzung / „Gegenstiftung“ angekündigt
Steffen Königer

Seit zehn Jahren kämpft der Oberstleutnant a.D. Max Klaar für den Aufbau der Garnisonkirche in der alten Preußenstadt Potsdam. Schon für die Wiederherstellung des Glockenspiels war er einer der Hauptimpulsgeber und gründete 1984 die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ (TPG), die im März 1985 als „gemeinnützig zur Förderung des Gedankens der deutschen Wiedervereinigung“ anerkannt wurde. Allein durch private Spenden konnte so schon vor der Wende das Geläut der Kirche neu erschaffen werden, das die Einwohner der Stadt bis zur Bombennacht im April 1945 halbstündig an preußischen Tugenden gemahnte. Seit April 1991 erklingen an einem Platz nahe der 1969 vom Ulbricht-Regime gesprengten Kirche wieder die Melodien „Lobe den Herren“ zur jeder vollen, „Üb’ immer Treu und Redlichkeit“ zu jeder halben Stunde. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß in einer Willenserklärung im Oktober 1990 den „möglichen Wiederaufbau der Garnisonkirche“. Die Sprengung wurde als „Akt kultureller Barbarei“ verurteilt.

Der Traditionsverein sammelte seither - vom damaligen Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) ermutigt - Spenden für den originalgetreuen Wiederaufbau des Turmes der Garnisonkirche. Nach zehn Jahren ist die Hälfte der benötigten zehn Millionen Euro gesammelt. Alle Spender befürworteten den originalgetreuen Wiederaufbau des Turmes. So ist es auch in der Satzung der im letzten Jahr gegründeten gemeinnützigen „Stiftung Preußisches Kulturerbe“ (SPK) verzeichnet. Sie wurde ins Leben gerufen, um die Garnisonkirche nach Wiederherstellung unterhalten zu können, wenn die Kirchen dazu nicht in der Lage oder Willens sein sollten. Die spätere Nutzung entwickelt sich - wie einige Details am Bau - immer mehr zum Streitpunkt. Im Dezember hatte die Kreissynode der Kirche - entgegen alten Beschlüssen - sich für eine sakrale Verwendung positioniert. „Der Garnisonkirchturm wird eine Kirche in der Potsdamer Innenstadt sein“, heißt es im Konzept „Veränderung ist möglich - The Spirit of Change“. Jedoch wolle man mit einem Nagelkreuz die Veränderung im Inneren des Turms nach außen tragen. Die Version der preußischen Wetterfahne spielte mit kriegerischer Symbolik. Trotzdem ein positives Signal, denn der Gemeindepfarrer Uwe Dittmer, der schon seit 1968 - also schon vor Sprengung der Ruine - der Heilig-Kreuz-Gemeinde vorstand, hatte sich bereits 1996 gegen eine Wiedererrichtung ausgeprochen. Es sei „nicht zu verantworten, eine Kirche ohne Bedarf zu errichten“, so Dittmer auf einer Dikussionsveranstaltung.

Preußenadler gegen französische Sonne

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT äußerte Dittmer, wenn es sich nun schon nicht mehr verhindern ließe, daß diese Kirche wiedererstehe, dann wenigstens als Versöhnungszentrum. Auch Dittmer ist für das Nagelkreuz. Es sei nicht mehr zeitgemäß, mit dem Preußenadler gegen die französische Sonne zu marschieren. „Das schürt bloß wieder alte Vorurteile und Haßbilder“, so Dittmer.

Doch nicht nur der Wunsch der evangelischen Kirche, dem sich sogar ehemalige Gegner wie die örtliche PDS anschlossen, Wetterfahne durch Nagelkreuz zu ersetzen, stößt auf Ablehnung der TPG. Bedenken gibt es auch bei der SPK, deren Schirmherrschaft der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm übernahm. Der Sprecher Stephan Göricke gab gegenüber der JUNGEN FREIHEIT zu bedenken, daß eine nicht unerhebliche Zahl von Spendern bereits angekündigt habe, ihre Spenden zurückzuziehen, wenn man sich nicht an das Original hielte. Auch die Ankündigung, den beiden Melodien noch das Beatles Stück „All you need is Love“ hinzufügen zu wollen (JF 52/01), stößt auf Unverständnis.

Die Kirche ihrerseits machte nun Druck auf die TPG. Man werde eine kirchliche Stiftung für den Bau und die Nutzung des Garnisonkirchturms planen, hieß es in einer Verlautbarung. In den Aufsichtsgremien der Stiftung seien zwar die TPG sowie die SPK beteiligt, die Vertreter der Evangelischen Kirche verfügten aber über die Stimmenmehrheit. Desweiteren sei geplant, die Spender einzeln anzusprechen, ob sie der kirchlichen Stiftung die gleiche Unterstützung zuteil werden ließen.

Am 13. April werden sich in Potsdam die Konfliktparteien zu einer Verhandlung treffen. Potsdams Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD) forderte dazu auf, sich etwas zu bewegen. „Die Welt ist nicht mehr so, wie sie sich 1990 in der Satzung der Traditionsgemeinschaft reflektierte“, so Platzeck in der Märkischen Allgemeinen. Und selbst der CDU in Potsdam gehe es nicht mehr „um jedes Detail in 88 Meter Höhe“, erklärte der Fraktionschef Eberhard Kapuste. Die Kirche habe mit ihrer Zustimmung zum Wiederaufbau einen „gewaltigen, vor kurzem noch unvorstellbaren Schritt“ getan. Wenn die Türen jetzt zugeworfen würden, bekäme Potsdam den Turm nie mehr zurück, so Kapustes Befürchtung.


 
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