© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/02 08. März 2002

 
Shimon Peres
Der Utopist
von Ivan Denes

Wenn eine Intrige im Gange ist, sucht Shimon“ -, das waren Worte eines der aufrechtesten israelischen Politiker, Itzhak Rabin. Die beiden Politiker, Peres und Rabin, die wiederholt in derselben Regierung saßen, aber nie Freunde gewesen sind, bekamen gemeinsam mit Yassir Arafat 1994 den Friedensnobelpreis für das Osloer Friedensabkommen, das nie und nimmer zum Frieden führen konnte. Denn für die palästinensische Seite war Oslo keine Pforte zum endgültigen Frieden, sondern lediglich ein taktischer Schritt in Richtung endgültiges Ziel - die Zerschlagung des „zionistischen Gebildes“.

Das ist der springende Punkt, der die inneren Gegensätze der gegenwärtigen israelischen Regierung verständlich macht: Shimon Peres konnte nie und kann auch heute nicht zugeben, daß die Vereinbarungen von Oslo, zu deren Akzeptanz er als Außenminister den damaligen Premier Rabin überredet hat, Ergebnis eines grundsätzlichen Denkfehlers gewesen sind. Und während an allen Ecken und Enden Blut fließt, träumt Shimon Peres - diesmal Außenminister in der Regierung Ariel Sharon - weiterhin vom „Neuen Mittleren Osten“. Der Mann kann und will nicht zugeben, daß Yassir Arafat ihn belogen hat.

Dabei hat Shimon Peres, nunmehr 78 Jahre alt, in den frühen Jahren seiner politischen Karriere einen wesentlichen Beitrag zur militärischen Stärke Israels geleistet. Während seiner Zeit im Verteidigungsministerium legte er die Grundlagen für das größte Industrieunternehmen des Landes, die Israel Aircraft Industries sowie für den Bau des Atomreaktors von Dimona. Er leitete das Ministerium für Integration der Einwanderer, Transport, Information, Verteidigung, Auswärtiges und war wiederholt Premierminister, wobei er jedoch nie eine Wahl gewonnen hat.

Als im vergangenen Jahr Ariel Sharon, harter Mann der Likud-Partei, die Direktwahl gewann und die Regierung übernahm, sah er sich wegen des Überlebenskampfes der seit September 1999 tobte, genötigt, eine nationale Koalitionsregierung zu bilden. Shimon Peres trat ins Kabinett des Erzfeindes erneut als Außenminister ein und es entstand somit eine paradoxe Lage: im „Küchenkabinett“ sitzen drei Herren: Sharon, der Mann der harten Linie, Peres, der versucht, auf Schritt und Tritt die Politik Sharons zu unterlaufen, und Benjamin ben Elieser, der Verteidigungsminister, der wie Peres der Arbeiterpartei angehört und sie neuerdings sogar anführt, aber der regelmäßig mit Sharon und gegen Peres stimmt. Vor wenigen Tagen beklagte Sharon vor Anführern der amerikanischen Juden den steigenden Antisemitismus in Frankreich. Zwei Tage später erklärte Peres in Paris, es gäbe in Frankreich keinen Antisemitismus. Einig werden sich die beiden alten Herren nie, aber vielleicht gelingt es ihnen, gemeinsam die Zukunft des Landes zu sichern.


 
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