© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/02 08. März 2002

 
Der Konkurrent aus Zwickau
CDU Sachsen: Im Kampf um die Biedenkopf-Nachfolge bekommt Landeschef Georg Milbradt mit Dietmar Vettermann einen Gegenkandidaten
Paul Leonhard

Der von Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf ungeliebte Kronprinz Georg Milbradt hat nun doch noch Konkurrenz beim Sturm auf den Thron bekommen. Dietmar Vettermann, CDU-Landesvize und Oberbürgermeister der westsächsischen Automobilstadt Zwickau stellt sich dem früheren Finanzminister in den Weg. Genau acht Tage vor dem am Sonnabend in Dresden stattfindenden Sonderparteitag der sächsischen Union hat Vettermann überraschend seine Kandidatur als Nachfolger des am 18. April aus dem Amt scheidenden Ministerpräsidenten bekannt gegeben. Er sei nicht mit der Art und Weise einverstanden, wie es zum Rücktritt Biedenkopfs gekommen sei, begründete der 44jährige seinen Entschluß. Gleichzeitig warf er CDU-Landeschef Milbradt vor, nicht in der Lage zu sein, den weiß-grünen Freistaat im Sinne Biedenkopfs zu führen, da ihm dafür die „emotionale Ader“ fehle. Der 57jährige Milbradt würde ausschließlich an der Macht interessiert sein.

Obwohl Sachsen seit 1990 mit einer absoluten CDU-Mehrheit im Landtag regiert wird, ist Vettermann ein christdemokratischer Mohikaner. Er ist einer der letzten sächsischen Oberbürgermeister mit CDU-Parteibuch. Aufmerksamkeit über die Stadtgrenzen Zwickaus hinaus erregte er erstmals im September vergangenen Jahres, als er mit 134 Stimmen zum stellvertretenden CDU-Landesvorsitzenden gewählt wurde. Damit setzte er sich auch gegen den damaligen Partei-Vize und früheren Innenminister Heinz Eggert (84 Stimmen) durch. Eggert wirft Vettermann nun „zerstörerische politische Dummheit“ vor. Auch Gleichstellungsministerin und CDU-Landesvize Christine Weber unterstellt dem Zwickauer, Milbradt lediglich ein schlechteres Ergebnis bescheren zu wollen.

Vettermann dagegen versichert, von der Art und Weise der Demontage Biedenkopfs enttäuschte Parteifreunde wieder für die CDU mobilisieren zu wollen. Daß die Kandidatur des Kommunalpolitikers lediglich „den Weg für einen dritten Mann“ freimachen soll, wird in Dresdner Parteikreisen gern kolportiert. Aber wer dieser Mann sein sollte, weiß keiner. Vettermann behauptet dagegen, von einigen Landräten und vielen Mitgliedern zu diesem Schritt ermutigt worden zu sein. Namen nannte er jedoch keine.

Politisch ist Vettermann bisher ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Der studierte Bauingenieur ist seit 1990 Mitglied der CDU - und damit keine SED-„Blockflöte“. Er arbeitete unter seinem Amtsvorgänger erst als Umwelt-, dann als Finanzdezernent und schließlich seit 1993 als Bau-Bürgermeister Zwickaus. Im Juni 2001 wurde er zum Stadtoberhaupt der nach Dresden, Leipzig, Chemnitz und viertgrößten Stadt Sachsens gewählt. Im vergangenen September geriet Vettermann in die Schlagzeilen der regionalen Presse. In einem Prozeß gegen eine Scientologen und Immobilienhänderler wurde ihm vorgeworfen, dessen ungenehmigte Bautätigkeiten als damaliger Baubürgermeister unterstützt zu haben. Andererseits ist Vettermann aus Sicht vieler Zwickauer maßgeblich die gelungene Umgestaltung des historischen Stadtzentrums zu verdanken.

Als Ministerpräsident würde er sich vor allem um die finanziell angeschlagenen Kommunen kümmern, verkündete der Kandidat, der mit dieser Aussage vor allem in den von staatlichen Sparmaßnahmen gebeutelten Gemeinden große Aufmerksamkeit findet. Rund 30 Prozent der Delegiertenstimmen will Vettermann am Sonnabend auf sich vereinen. In Umfragen geben ihm die Sachsen sogar knapp 36 Prozent. Trotzdem besteht für Landeschef Milbradt wohl keine Gefahr. Der hat die plötzlich auftauchende Konkurrenz aus Zwickau daher auch ruhig aufgenommen, den Mitbewerber nach dessen ersten Äußerungen allerdings zu einer fairen Auseinandersetzung aufgefordert.

Wesentlich beunruhigter zeigt sich dagegen die Bundes-CDU. Vor der Gefahr eines „politischen Harakiri“ der sächsischen Union warnte bereits der Schweriner Eckhardt Rehberg, Ost-Berater des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber, mit Blick auf zurückliegende Niederlagen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Auch der Bundestagsabgeordnete und frühere Umweltminister Arnold Vaatz fürchtet, daß die Querelen sich negativ auf die sächsischen Ergebnisse der Union bei den Bundestagswahlen im Herbst auswirken könnten.

Und der Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Zwickau-Werdau, Michael Luther, wettert („Schnapsidee“) schon deswegen gegen Vettermann, weil er für seine knapp erreichte Nominierung im Landesvorstand für Platz eins der Landesliste für die Bundestagswahl am Sonnabend die Rückendeckung Milbradts benötigt. Dann entscheiden die Delegierten.


 
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