© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/02 08. März 2002


Blick in die Medien
Comic
Ronald Gläser

Das Zeitalter der Rationalität ist auch ein Zeitalter der Fiktion. Wir leben in einer Zeit der Lügen. Die NPD ist ein Haufen staatlich besoldeter Agenten. Arbeitsmarktstatistiken sind fingiert. Und selbst die TV-Richterin Barbara Salesch wirkt so echt, daß einige sie für authentisch halten. Die Speerspitze der Imagination sind Zeichentrickfilme. Computeranimationen vereinfachen deren Herstellung. Die Monster AG war ein herausragender Kinoerfolg. Selbst bei der Berlinale wurden Comics prämiert. Und Tom und Jerry werden derzeit von einem Stromlieferanten für Werbezwecke auf Leinwand gebannt. Unwirkliche Bilder dienen der Vermarktung eines unsichtbaren Produkts - clever. Auch Spider- oder Supermann stammen aus einer Phantasiewelt. Sie sind stark und widerstehen jeder Gefahr, jeder Angst und jeder Verlockung. Jetzt werden sie wiederentdeckt. In den fünfziger Jahren, dem Höhepunkt des Kalten Krieges, kämpfte Captain America gegen Red Skull. Jetzt hat das Weiße Haus sogar eine neue Supermann-Reihe in Auftrag gegeben. Das Nationalidol rettet darin die Heimat vor bösen Terroristen. Seit dem 11. September sind derlei Comics fast wie Pilze aus dem Boden geschossen. Bewußt oder unbewußt antizipieren die Medien dieses neue Selbstbewußtsein des Comicgenres. Der verstorbene Buggs-Bunny-Erfinder wurde wie ein Schöpfergeist gewürdigt. Und der Spiegel stellte den US-Präsidenten auf dem Titelbild als einen Comic-Krieger à la Rambo dar. Wahrheit oder Fiktion?


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