© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/02 15. März 2002 |
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Grundrecht sticht Privatrecht Justiz: Das Oberlandesgericht Dresden urteilte gegen politisch motivierte Kontenkündigungen Klaus Kunze Das in der neuesten Ausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 2002, Heft 10, Seite 757) veröffentlichte Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Dresden vom 15. November 2001 bestätigt eindrucksvoll eine sich in Hamburg, Leipzig und Dresden schon in einstweiligen Verfügungsverfahren Ende 2000 abzeichnende Tendenz: Der Zugang zu bargeldlosem Zahlungsverkehr ist essentielles Grundbedürfnis des modernen Wirtschafts- und Geschäftslebens. Es bildet einen sozialen Eckpfeiler im Sinne eines Mindeststandards einer angemessenen Lebensführung. Ein Konto allein wegen der politischen Zielrichtung zu kündigen, stelle per se eine unzulässige Rechtsausübung nach Paragraph 242 BGB dar. Schon allein mit dieser Begründung erweisen sich die konzertierten Kündigungen aller Kreditinstitute, auch privater Banken, als unwirksam. Konkret wird im Dresdner Urteil eine Sparkasse aufgefordert, das Konto der NPD weiterzuführen. Es nur wegen deren politischer Betätigung zu kündigen, sei nach Treu und Glauben unzulässig, stellte das OLG fest. Wie eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten liest sich das Urteil, gäbe es da nicht besorgniserregende Urteile anderer Gerichte zu einer aus rechtstaatlicher Sicht fragwürdigen konzertierten Aktion der Banken, alle Konten als rechts geltender Organisationen zu kündigen. Deren strategische Perfidie zu durchschauen, erfordert mehr Überblick, als etwa der eine oder andere bayerische Landrichter in Parellelprozessen hatte: Nachdem das Bombenattentat in Düsseldorf 2000 den Aufstand der Anständigen auslöste, wurde scheinbar wie aus heiterem Himmel von allen inländischen Banken, Sparkassen und der Postbank sämtliche ihnen erkennbare Konten Rechter gekündigt, was von der NPD bis zu den Republikanern, von Nation und Europa bis zur JUNGEN FREIHEIT und auch im Verlagswesen und Musikgeschäft alle traf, die als rechts denunzierbar waren. Den Startschuß zu der Kampagne gaben die Grünen und die Gewerkschaft HBV am 22. August 2000, indem sie die Postbank zur Kündigung von DVU-Konten aufforderten. Schnell entstand, was das Landgericht Stuttgart ein Ablehnungskartell nannte. Es bildete sich nicht nur aufgrund eines zufälligen einheitlichen Marktverhaltens, sondern war zentral gesteuert und suchte Rechten jeden Zugang zum bargeldlosen Geldverkehr abzuschneiden. Nun gehört ein Girokonto heutzutage zu den Grund-bedingungen wirtschaftlicher Existenz und diese zu treffen, war das erklärte Ziel. Wo Banken, wie die Postbank und die Sparkassen, teilweise in staatlichem Besitz stehen, war der parteipolitische Weg zu ihren Entscheidungsträgern besonders kurz. So manche Partei, so mancher Verlag, so manche Kleingruppe wanderte von Pontius zu Pilatus und wollte ein neues Konto eröffnen, blieb jedoch überall draußen vor der Tür. Die organisatorische Vernichtung der deutschen Rechten schien greifbar nah, da gingen die ersten Klagen bei Gericht ein. Warum soll eine Bank kein Konto kündigen dürfen?, hieß es bald gähnend aus bayerischem Richtermund. Gehts doch zu einer anderen! Rund 150 gäbe es in Deutschland, und wer nicht beweist, es bei allen vergeblich versucht zu haben, braucht nach Meinung des Landgerichts Nürnberg gar nicht erst zu klagen. Die meisten Prozesse gegen Kontenkündigungen gingen verloren. Zumal bayerische Gerichte, so in München und Nürnberg, aber auch das Oberlandesgericht Köln der Bankenmacht keine Schranken setzten. Das OLG Dresden widerspricht nun diesen bisherigen Urteilen. Zumal die Sparkassen überdies Anstalten des öffentlichen Rechts sind und einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge darstellen, deren gesetzliche Aufgabe die Sicherstellung der Versorgung mit geldwirtschaftlichen Mitteln ist. Gerade sie muß den Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr gewährleisten und darf ihn nicht aus politischen Gründen entziehen. Und als ob alles dies noch nicht reichen würde, erkennt das OLG Dresden den eigentlichen demokratiepolitischen Skandal jener Kündigungswelle: Wird einer politischen Partei gekündigt, dann wird die spezifische institutionelle Garantie der politischen Parteien (Art.21 GG) unzulässig angetastet und damit eine Funktionsbedingung unserer Demokratie: Eine funktionierende Demokratie beeinhaltet den Grundsatz, daß politischen Parteien die Teilhabe an elementaren Wirkungsbedingungen des täglichen Lebens zu gewähren ist. Andernfalls wäre es Privatrechtssubjekten möglich, durch einen Leistungsentzug einzelnen Parteien die Existenzgrundlage zu entziehen. Das Gericht spürte eben diese Absicht der Kündigungen und war mit Recht verstimmt. Es hatte über eine Kündigung gegenüber einer Partei, nicht einer Zeitung, zu entscheiden, doch gibt es grundgesetzliche institutionelle Garantien nicht nur gegenüber den Parteien. Art. 5 GG garantiert die Freiheit der Presse nicht nur den Zeitungsverlegern zuliebe. Die freie Presse ist ebenso Funktionsbedingung unserer Demokratie wie die Parteienfreiheit. Nicht alle angerufenen Gerichte erkannten Ausmaß, Bedeutung und die Gefahren jener Kündigungen für die Pressefreiheit und lösten ihren Rechtsfall scheinbar einfach zivilistisch, als hätten sie von der Ausstrahlungswirkung aller Grundrechte auf die Auslegung des Privatrechts noch nie etwas gehört. Auch mit richterlichem Augenschließen läßt sich hierzulande Politik machen, ein Anständigenaufstand durch Weggucken gewissermaßen. |