© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/02 15. März 2002

 
Hecken und Feldraine sind wichtige Biotope
Ökologie: Der Naturschutz muß gegenüber der Landwirtschaft endlich Vorrang haben
Adrian Gerloff

Die „Bäuerliche Kulturlandschaft“ stand einmal für Vielfalt und Schönheit der Landschaft und für einen Artenreichtum an wildlebenden Pflanzen und Tieren. Spätestens seit der BSE-Krise gilt die moderne Landwirtschaft jedoch als Ursache schwerwiegender ökologischer und umwelthygienischer Probleme. Die von der grünen Agrar- und Verbraucherministerin Renate Künast letztes Jahr propagierte „Agrarwende“ soll nun viele Landwirte zum Umdenken zwingen.

Doch vor allem die Veränderungen der landwirtschaftlichen Techniken ab der Mitte des 20. Jahrhunderts begründen den Artenrückgang von Pflanzen und Tieren maßgeblich mit. Feuchte Wiesen und Moore wurden drainiert und die ursprünglichen Kernlebensräume gingen verloren. Der massive landwirtschaftliche Intensivierungsschub halbierte die Populationen einiger Arten und ließ andere Arten gänzlich verschwinden. Die Zunahme von unerwünschten Nährstoffen im Wasser (Eutrophierung) und die Biozidbelastung zerstören Feldgehölze und beeinträchtigen angrenzende Gewässer.

Die Beseitigung „linearer Biotope“, wie Hecken und Feldraine, führt zu einer Entkopplung räumlicher Funktionszusammenhänge und isoliert viele Artengemeinschaften voneinander. Fernwirkungen wie die Verschlechterung des Grundwassers sind ebenso festzustellen, wie die Anreicherung von Bioziden in Nahrungsketten. Früher aus der Agrarlandschaft nicht wegzudenkende Arten wie Feldhamster und Rebhuhn tauchen heute in den Roten Listen der Länder auf. Die Anlage von strukturarmen und riesigen Schlägen, der Düngemitteleinsatz und der intensivierte Ernteablauf und die mit dem Tiefpflügen verbundene Bodenverdichtung haben sie aus weiten Teilen der Landschaft verdrängt. Hochwild wird einerseits durch optimale Nahrungsangebote gefördert, später deren Flurschäden aber beanstandet und eingeklagt.

Eine ökologische Agrarpolitik muß daher die unsinnige ressourcenverzehrende und umweltbelastende Überproduktion beenden - zehn Prozent Ökolandbau reichen dazu nicht aus. Die ungeeigneten und nicht benötigten landwirtschaftlichen Nutzflächen müssen zwecks Biotopvernetzung, Waldneubegründung und zur Erweiterung der Naturschutzflächen umgewandelt werden. Nur dies wird zur Wiederherstellung vielfältiger, ökologisch intakter und schöner Landschaften beitragen und den Bauern durch Verkauf und Verpachtung der Flächen zusätzliche Einnahmen und Chancen bieten. Weiterhin muß der Umbruch von Grünland verhindert werden, indem extensive Grünlandnutzung bei bodengebundenen und reduzierten Tierbeständen ausreichend honoriert wird.

Beispiel für den Vertragsnaturschutz in der Landwirtschaft ist das Ackerrandstreifen-Programm, bei dem der zwei bis drei Meter breite Randstreifen der Äcker vom Herbizideinsatz verschont bleibt. Ertragsminderungen werden den Landwirten nach festgelegten Richtsätzen erstattet. Mit diesem geringen Aufwand lassen sich zusätzliche Wuchsmöglichkeiten für gefährdete Ackerwildkräuter erhalten und neu schaffen. Mit der entstandenen Blütenpracht wird ebenso die entsprechende Begleitfauna gefördert, welche als natürlicher Schädlingsbekämpfer die Arbeit im Ökosystem aufnimmt.

Kleine Schritte, wie die Herausnahme der Ackerrandstreifen aus der Intensivnutzung und die Verringerung des Düngemittel- und Biozideinsatzes sind erste Schritte, zudem auch recht schnell realisierbar. Doch weiterführend müssen eine Extensivierung der Landwirtschaft und die Wiederherstellung reich strukturierter Kulturlandschaften die Fernziele sein. In sämtlichen Ebenen der Landschaftsplanung müssen Kenntnisse des Artenbestandes mit in die Planung einbezogen werden. Naturschutzfachlich wertvolle Flächen sollten bei der Definition von größeren Schutzgebieten beachtet werden. Aber nach wie vor wird der umgekehrte Weg beschritten: Im Baltikum, wo viele Vögel noch beste Lebensbedingungen finden, treibt man mit EU-Geldern die Entwässerung und Industrialisierung der Landwirtschaft voran, aus Nordspanien soll demnächst Wasser auf die intensiv bewirtschafteten und trockenen Felder des Südens fließen - was die nordspanischen Wälder schädigt. Doch auch in Deutschland beeinflussen weiter „Sachzwänge“ den Abwägungsprozeß zwischen Natur und Landwirtschaft. Und auch die besten Gesetze helfen nicht, wenn sie nicht kontrollierbar sind - anderenfalls führen sie die Vorschriften ad absurdum und wirken für die Sache negativ. 


 
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