© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/02 15. März 2002

 
„Living, Learning, Leadership - pur“
Hochschulen: Interview mit Professor Oswin Maurer, Rektor der „Kassel International Management School“
Alexander Barti

Herr Prof. Dr. Maurer, wenn man sich die akademischen Abschlüsse des Lehrkörpers der „Kassel International Management School“ (KIMS) anschaut, fällt auf, daß viele eine „normale“ staatliche Universität besucht haben. Warum sprießen in Deutschland trotzdem die Privatuniversitäten wie Pilze aus dem Boden? Wird die staatliche Universität ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht?

Maurer: Ich glaube nicht, daß man den staatlichen Universitäten Vorwürfe machen kann. Ich kenne beide Systeme - private und staatliche - im deutschsprachigen und angelsächsischen Raum, und bin der Meinung, daß jedes System seine Aufgabe hat - und auch erfüllt: Beide betreiben „Value Creation“ auf ihre spezifische Art.

Was ist dann die Aufgabe, das Selbstverständnis einer privaten Business School?

Maurer: Man geht rein in den Bereich, den man heute „lebenslanges Lernen“ nennt; das heißt, es entstehen im Laufe eines Arbeitslebens bestimmte Lern-Bedürfnisse, die man auf einer Business School befriedigen kann. Die Unis können diesen Bereich nicht, weil sie schlecht sind, nicht abdecken, sondern weil sie dafür nicht aufgestellt wurden: Mit 400 Leuten in der Vorlesung kann ich keine überschaubare Projektarbeit leisten, weder als Student, noch als Dozent.

Ein genereller Vorwurf der Professoren lautet, daß die Studenten wesentliche „Studiertechniken“ nicht beherrschen; Seminararbeiten bewegen sich oft auf dem Niveau von zusammengeschnittenen Zeitungsartikeln, die Fähigkeit zum klaren Denken fehlt. Welchen Nutzen hat eine multimedial hochgerüstete Privatuni für den Berufsalltag?

Maurer: Wir beschäftigen uns nicht mit der Primärausbildung und haben daher einen anderen Ansatz. Bei der Zulassung als KIMS-Student muß man nicht nur einen Hochschulabschluß haben, sondern auch mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nachweisen; bei uns haben die Studenten durchschnittlich acht Jahre gearbeitet, in der Regel im mittleren Management eines mittelständischen Unternehmens. Zum Beispiel ist da jemand, der einen Abschluß als Wirtschaftsingenieur hat, aber im Beruf verstärkt mit Marketing oder Finanzen zu tun hat: Bei uns kann er seine Defizite in einem Jahr beheben. Wir vermitteln also Kompetenzen in einem Bereich, den er nicht studiert hat, der aber inzwischen - on the job - zu seinem Tätigkeitsfeld geworden ist. Das ist die klassische Aufgabe einer MBASchool. Durch die zusätzlichen Fähigkeiten und den formalen MBA-Abschluß können die Absolventen auf eine höhere Führungsebene steigen.

Demnach ist eine MBA-Schule nichts anderes als eine „betriebsinterne“ Fortbildung?

Maurer: Nein, natürlich nicht. Bei einer betrieblichen Fortbildung wird in der Regel nur ein Problembereich gezielt angegangen: Wenn es zum Beispiel an einer geschliffenen Rhetorik mangelt, kann man entsprechende Seminare besuchen. Auf einer MBA-School hingegen bekommt man eine ganzheitliche, vertiefte und international anerkannte Qualifizierung die, um einige wenige Fächer zu nennen, Marketing, Management, Führung und Konfliktlösung, Organisation, Finanzierung, Internationales Management und Recht, Strategie, Mikro- und Makroökonomie umfaßt und auf bestimmte Kompetenzschwerpunkte ausgerichtet ist. Akkreditierte MBA-Schools wie die KIMS haben zu 70 Prozent einen international vorgegebenen, kompatiblen Fächerkanon; die restlichen 30 Prozent sind der jeweilige Schwerpunkt, zum Beispiel „Industrial Sales and Marketing“ bzw. „International Business and Finance“. Das Besondere an einer MBA-School ist außerdem, daß der Wissenstransfer in zwei Richtungen geht: Nicht nur vom Lehrer zum Schüler, sondern auch von einem Schüler zum anderen - und auch zum Lehrer zurück; es entsteht quasi ein „Lerndreieck“. Der Lehrer soll anregen und Ideen ausspinnen lassen, aber ein wesentlicher Teil des Wissenstransfers entsteht unter den Studenten, die aus unterschiedlichen Leistungsebenen und Bereichen kommen und in einer Gruppe zusammen lernen. Die Gruppe muß zusammenpassen, damit sie gut arbeiten kann und damit diese Lerneffekte eintreten; daher werden die Studenten nicht nur nach fachlichen Qualifikationen ausgesucht - auch die Charaktere müssen stimmen. Letztlich sind Kurse wie Vorstandssitzungen: die Studenten müssen gemeinsam Strategien entwickeln, da muß man sich auch persönlich was sagen dürfen. Diesbezüglich steht die KIMS sehr gut da - fragen Sie unsere Studenten.

Sie haben zur Zeit 40 Studienplätze. Wie groß soll die KIMS einmal werden?

Maurer: Wir planen eine Endgröße von 80 Plätzen; letztlich sollen pro Programm - ab Frühjahr 2003 werden wir vier haben - nicht mehr als 25 Studenten lernen, damit der Rahmen überschaubar bleibt. Bei Problemen in ihren Lern-Projekten sollen die Studierenden sich gegenseitig und die Lehrenden anrufen können - das funktioniert nur, wenn eine „familiäre“ Atmosphäre herrscht.

Die Ausbildung bei KIMS kostet 18.000 Euro. Was bieten sie für diesen stolzen Preis?

Maurer: Eine ganze Menge: Neben der Lehre und Betreuung durch hervorragende internationale Professoren und Lehrbeauftragte in den Lehrveranstaltungen, der individuellen und der Teambetreuung und der erforderlichen Lehr- und Lernunterlagen auf Englisch, bekommt jeder Studierende auch einen 3.500 Euro teuren Laptop mit einer speziellen „synchronen Lernplattform“, wie sie in Deutschland im Aus- und Weiterbildungsbereich niemand verwendet. Diese Lernplattform erlaubt ein wirklich synchrones Arbeiten zum Beispiel in unseren Online-Sitzungen während der Woche. Im übrigen gibt es viele Firmen, welche die Kosten für ihre Mitarbeiter ganz oder zum Teil übernehmen. Auch bietet die KIMS über eines ihrer Partnerunternehmen eine Studienfinanzierung zu besonders vorteilhaften Konditionen an. Insgesamt kann die Leistung der KIMS für ihre MBA-Studenten am einfachsten als „Living, Learning, Leadership - pur“ umschrieben werden.

Wie entwickelt sich die Nachfrage nach dem Angebot von KIMS?

Maurer: Relativ gut. Nach meiner Erfahrung beginnt eine MBA-School mit sechs bis acht Studenten. Wir haben im Mai 2001 unseren Lehrbetrieb mit 13 Studenten begonnen, weitere 14 kamen im Oktober dazu, und zur Zeit haben wir über 100 Interessenten, obwohl wir pro Kurs nur 20 Studenten aufnehmen wollen.

Kann man schon einen Konkurrenzkampf unter den Privaten Business-Schools ausmachen?

Maurer: Das ist schwer zu sagen. Es gibt in Deutschland - mit steigender Tendenz - rund zwei- bis dreitausend Personen, die auf eine Business-School gehen wollen. Die Leute, die ja im Beruf stehen und eventuell schon ein Haus haben, gehen nicht mehr mit ihren Familien für zwei Jahre in die USA, um dort einen MBA zu machen; ein Bedarf ist also durchaus vorhanden. Wenn die KIMS in zwei Jahren 80 Studenten hat, fühlen wir uns im Markt gut positioniert.

Die KIMS wurde unter anderem von dem Präsidenten der „Universität Gesamthochschule Kassel“ (GhK), Hans Brinckmann, initiiert. 1971 wurde die GhK als „Reformuniversität“ gegründet - ist die KIMS der Offenbarungseid dieser Bildungsreform?

Maurer: Nein, auf keinen Fall! Die KIMS ist eine notwendige Ergänzung der Kasseler Universität für eine ganz spezifische Nachfrage, die bei der Gründung der GhK gar nicht absehbar war. Ebenso ist die GhK eine wichtige Ergänzung, wenn unsere Studierenden zusätzliche Studienbedürfnisse haben.

 

Prof. Dr. Oswin Maurer ist Rektor der Kassel International Management School und vertritt an der KIMS die Fächer Marketing und Internationales Management. Vor seiner Zeit an der KIMS war Maurer Professor für Marketing an der University of New England, Armidale/NSW, Australia und Direktor des New Zealand Food Marketing Institute an der Waikato Management School in Hamilton, New Zealand. Maurer ist als internationaler Strategie- und Marketingberater für namhafte Unternehmen und Regierungsbehörden in Australien, Asien und Europa tätig.

 

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