© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/02 22. März 2002


Graswurzelrevolution
Die Kinder schlagen zurück
Carl Gustaf Ströhm

Die deutschen Medien blasen immer wieder bedeutungslose Randereignisse (oder Nicht-Ereignisse) gewaltig auf. Dagegen wahren sie über wirklich interessante Vorfälle und Entwicklungen vielsagendes Schweigen, offenbar weil das nicht in die vorgefaßte herrschende Meinung paßt.

So verdanken wir dem links-anarchistischen Szeneblatt Graswurzelrevolution, daß jetzt ein Ereignis bekannt wurde, welches sonst unbemerkt geblieben wäre: Es handelt sich um den Auftritt der „grünen“ Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Kerstin Müller. Die grüne „Frontfrau“ sprach am 5. Dezember vergangenen Jahres auf einer Parteiveranstaltung in Düsseldorf-Bilk. Dabei zeigte Kerstin Müller bisher unvorstellbare und gelegentlich auch recht komische Züge.

Lassen wir die Graswurzelrevolution berichten: Die „Frontfrau“ Müller sei mit „Überschwang“ begrüßt worden: „Das meist junge und kriegsbegeisterte Publikum bedachte sie mit frenetischem Applaus ...“ Mit Ausrufen wie: „Endlich können wir mitkämpfen! Nur keine falsche Zurückhaltung mehr! ... Kerstin lebe hoch!“ hätten die Zuhörer für „Stimmung im Saal“ gesorgt. Als Kerstin Müller - zunächst erfreut über die scheinbar überschwengliche Zustimmung - das Wort ergriff, brachten ihr die jungen Leute „stehende Ovationen“ und einen Jubel dar, „wie er lange nicht mehr bei Bündnis 90/Die Grünen zu vernehmen war.“ Die jungen Leute riefen der Fraktionsvorsitzenden zu: „Wir wollen Krieg!“ und dann die Forderung: „Frauenparkplätze für Afghanistan!“

Da erst merkte die gestrenge Kerstin, daß man sie auf den Arm nehmen wollte, und daß es um das grüne Kriegs-Engagement am Hindukusch ging. Diese Art von Zustimmung hat die Fraktionsvorsitzende sichtlich überfordert - am Ende zeigte sie dem Publikum wutentbrannt sogar den Mittelfinger.

„Ihr seid noch armseliger als die Hitlerjugend!“, fauchte sie ihre allzu begeisterten Zuhörer an - und dann gab es sogar einen Augenblick der Wahrheit, nämlich, als sie zornig feststellte, diese Art von Störungen kenne sie doch von der Antifa. „Nach nur fünfzehn Minuten“, schreibt die Graswurzelrevolution, „verließ die Kriegstreiberin sichtlich genervt den Saal“. Als sie im engeren Kreis die Veranstaltung in einem Nebenraum fortsetzen wollte, erschienen auch dort alsbald die „Kriegs-Fans“ und riefen: „Wir wollen Kerstin! Kerstin, unsere Frau im Parlament und an der Front! Krieg ist die einzige Lösung!“

„Nun verlor die Veranstaltungsleitung vollends die Nerven“, heißt es im Bericht der Anarchisten-Zeitschrift. Mit den Worten: „Wir werden hier angegriffen!“ rief sie „paranoid und voller Hektik“ die Polizei. Diese erschien nach 15 Minuten und mit gleich sechs Einsatzfahrzeugen samt Blaulicht und Martinshörnern. Es wurde aber niemand festgenommen - weil inzwischen kaum jemand mehr da war.

Offenbar erleben die Grünen jetzt, was sie selber einst ihren Gegnern zufügen wollten: Sie werden lächerlich gemacht. Und Lächerlichkeit kann tödlich sein. 


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