© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/02 22. März 2002

 
Das System der Aufsichtsräte
SPD-Affäre I: Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin gerät durch immer neue Skandale unter Druck
Jochen Arp

Ein Gutes hat der Spendenskandal an Rhein und Ruhr für die SPD: Er lastet die Medien aus, so daß eine weitere Bimbes-Affäre in einem anderen sozialdemokratisch regierten Bundesland jedenfalls in überregionalen Zeitungen und Fernsehsendern zur Zeit (noch) nicht die gebührende Aufmerksamkeit findet.

In Schleswig-Holstein, regiert von Ministerpräsidentin Heide Simonis, gestützt von einer rot-grünen Koalition, wird gerade von der oppositionellen CDU ein zweiter Landtags-Untersuchungsausschuß angestrebt. Der erste wurde ins Leben gerufen, um Licht in die dubiosen Umstände zu bringen, unter denen das Land ein Software-System für 10,8 Millionen Euro gekauft hat, das die Landesregierung in die Lage versetzen soll, eine gezielte Kostenkontrolle über ihre Leistungen durchzuführen. Dieses System war jedoch keineswegs das fachlich am besten ausgereifte, und es war bei weitem auch nicht das preisgünstigste.

Als der Landesrechnungshof dahinter kam, fand er zugleich heraus, daß der zuständige Staatssekretär des Finanzministeriums unmittelbar nach Auftragserteilung nicht nur in den Ruhestand gegangen war, sondern auch sogleich eine Beratertätigkeit bei der Firma aufnahm, der er den lukrativen Auftrag zugesprochen hatte. Dafür zahlte sie ihm in den wenigen Monaten des ersten Beschäftigungsjahres ein Honorar von 50.000 Mark und in den folgenden Jahren 2000 und 2001 jeweils 200.000 Mark. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Bestechung und Bestechlichkeit gegen den Ex-Staatssekretär. Ist mit der Untersuchung dieses Falles der erste Landtagsausschuß schon ausgelastet, muß jetzt nach dem Willen der CDU ein zweiter her. Wieder handelt es sich um Geld, das ein ranghoher Mitarbeiter der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei nebenher verdient hat. Es geht um den Diplomvolkswirt Karl Pröhl, den die Staatskanzlei 1998 zur landeseigenen Investitionsbank abordnete, damit der dort den schleswig-holsteinischen Anteil an der Weltausstellung Expo in Hannover organisierte.

Im Jahr 2000 will er der Staatskanzlei brieflich mitgeteilt haben, daß er die Absicht habe, in die freie Wirtschaft überzuwechseln. Allerdings ist dieses Schreiben bei der Landesregierung nicht aufzufinden. Sehr wohl aber beantragte er die Erlaubnis, neben seinem Job in der Staatskanzlei auch einen Posten im Aufsichtsrat beim Projektentwickler Falk Brückner der Hamburger Firma gerRelations AG zu übernehmen. Das wurde abgelehnt. Das störte ihn offenbar aber nicht, denn sein Name tauchte in Prospekten und anderen Unterlagen dieser Immobilienfirma auf. Die Landesregierung schien nichts zu bemerken, obwohl ihr die Unterlagen zugesandt worden waren, als nämlich eben dieselbe Firma dem Chef der Staatskanzlei, Klaus Gärtner, anbot, eine führende Position in ihrem im Nahen Osten tätigen Unternehmenszweig zu übernehmen, was der aber ablehnte.

Anfang dieses Jahres gab es Rangeleien über den Verkauf des landeseigenen Kieler Schlosses. Das Land wollte sich von dem renovierungsbedürftigen, nach dem Kriege wieder aufgebauten Schloß, das Veranstaltungsräume und Bürotrakte für landeseigene Behörden enthielt, trennen, um mit dem Erlös einige Löcher im Landeshaushalt zu verkleinern. Die Stadt Kiel, die die Planungshoheit hat, konnte sich mit dem ins Auge gefaßten Käufer, der die Übernahme angeboten hatte mit der Absicht, dort ein Hotel und eine Seniorenresidenz zu errichten, nicht anfreunden. Über das Kieler Gerangel war die zunächst am Schloß interessierte Immobilienfirma verärgert und zog ihr Angebot zurück. Es handelte sich um jenen Projektentwickler Falk Brückner von der gerRelations AG.

Jetzt kam ans Tageslicht, daß dort im Aufsichtsrat jener hochrangige Bedienstete der Kieler Staatskanzlei, Karl Pröhl, tätig war. Die Öffentlichkeit konnte nicht ausschließen, daß Pröhl dank seines internen Informaten seinem zweiten Arbeitgeber interessante Informationen über das Projekt zugespielt hatte und daß er auch nicht ohne finanziellen Vorteil geblieben wäre. Als man anfing, dieser Spur nachzugehen, stellte sich weiteres Erstaunliches heraus. Neben seinem sicherlich gut bezahlten Job bei der Staatskanzlei hatte der offenbar nur unzureichend ausgelastete Wirtschaftsfachmann bei zwei weiteren Unternehmen, die ebenfalls auf dem Immobilienmarkt tätig waren, Vorstandsposten angenommen. Außerdem konnten ihn noch zwei weitere Kieler Firmen als Mitgesellschafter verbuchen.

In das daraufhin ausbrechende Entsetzen platzte die Nachricht, daß Pröhl seinen Dienstherrn, den Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Gärtner, längst davon unterrichtet haben wollte, ohne daß der reagiert hatte. Klaus Gärtner, seit vielen Jahren der Ministerpräsidentin Heide Simonis trotz seiner FDP-Mitgliedschaft eng verbunden, sah die Gefahr, daß jetzt die Ministerpräsidentin selbst in den Strudel geriet, und übernahm die politische Verantwortung. So blieb der Ministerpräsidentin nichts anderes übrig, als Gärtner, der als ihr strategischer Vordenker galt, in den einstweiligen Ruhestand zu schicken.

Beobachter meinen, der Fall Pröhl sei brisanter als der um den pensionierten Staatssekretär Lohmann. Ausgestanden ist er noch nicht. Zunächst hat die Staatsanwaltschaft nur Vorermittlungen gegen Pröhl aufgenommen. Ob nach Lohmann, Pröhl und Gärtner auch die Ministerpräsidentin in die Schußlinie gerät, wird nun nicht mehr ausgeschlossen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen