© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/02 22. März 2002

 
Sie kippen wie Dominosteine
Portugal: Der bürgerliche Durão Barroso ist Wahlsieger / Linke Parteien verlieren Mehrheit / Rechte Volkspartei will mitregieren
Jörg Fischer

Europa rückt nach rechts“, titelte die Berliner taz. „Jetzt also auch Portugal. Auch diese Bastion der Linken am Südwestrand Europas ist gefallen wie zuvor schon Österreich, Dänemark, Italien. Wie Dominosteine scheinen die linken Regierungen zu kippen“, stellte die Frankfurter Rundschau resignierend fest.

Es scheint also nicht geholfen zu haben, daß vor zwei Jahren die der „Sozialistischen Internationale“ angehörigen EU-Regierungschefs in Stockholm „Sanktionen“ gegen Österreich - wegen der ÖVP-FPÖ-Koalition - vereinbart haben. Eine knappe Mehrheit der 8,9 Millionen portugiesischen Wähler hat „sich freudig erregt den populistischen Vaterlandserrettern“ (taz) in die Arme geworfen.

Doch die mediale Aufregung ist unbegründet. Der 45jährige Wahlsieger José Manuel Durão Barroso ist kein „Rechter“. Als Student war er in der Zeit der „Nelkenrevolution“ 1974 Anhänger der maoistischen MRPP. Ab 1976 studierte er in Genf, New York und Florenz. Als er 1980 nach Lissabon zurückkehrte, wandte sich der Jurist der politischen Mitte zu. Sein früherer Kommilitone Pedro Miguel Santana Lopes (jetzt Bürgermeister von Lissabon) brachte ihn zu den Sozialdemokraten (PSD), die heute im EU-Parlament zur Fraktion der Europäischen Volkspartei gehören - zusammen mit CDU/CSU, ÖVP oder Forza Italia. 1992 wurde Barroso unter PSD-Premier Aníbal Cavaco Silva jüngster Außenminister in der EU, bis 1995 die jetzt abgewählten Sozialisten die Regierung übernahmen.

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 17. März wurde die PSD mit 40,1 Prozent (1999: 32,3 Prozent) der Stimmen stärkste Partei (102 Sitze). Die Sozialisten (PS) unter ihrem neuen Spitzenmann Eduardo Ferro Rodrigues rutschten von 44 auf 37,9 Prozent ab (95 Sitze). Die Allianz aus Grünen und Kommunisten (CDU/ Coligação Democrática Unitária) erreichte nur noch sieben Prozent (12 Sitze). Der unorthodoxe Linksblock (Bloco de Esquerda), der Jungwähler anzog, legte zu und kam auf 2,8 Prozent (drei Sitze). Doch selbst wenn am 27. März alle vier Mandate der Auslandswähler an die PS gehen sollten, ist die linke Mehrheit im 230köpfigen portugiesischen Parlament gebrochen: Die rechte Volkspartei (PP/CDS) erzielte 8,8 Prozent (14 Sitze) und wurde drittstärkste Kraft.

Schon am Wahlabend freute sich PP-Chef Paulo Portas, daß seine Partei erstmals seit 20 Jahren für eine neue Mehrheit entscheidend sei. Doch die Partido Popular ist im EU-Parlament Mitglied der „Union für das Europa der Nationen“ - wie die „rechte“ Dänische Volkspartei oder die „postfaschistische“ Alleanza Nazionale. Eine weitere EU-Integration sieht Portas skeptisch. Im Wahlkampf wagte allein die PP klare Aussagen gegen illegale Einwanderer und die damit einhergehende Kriminalität und Schwarzarbeit - alles Knackpunkte für eine mögliche PSD-PP-Koalition.

Durão Barroso tritt kein leichtes Erbe an: Trotz einer Arbeitslosenquote von unter fünf Prozent gehört das westlichste EU-Land sozial und wirtschaftlich zu den Schlußlichtern - die PSD versprach Besserung. Ein großes Haushaltsdefizit ist auszugleichen - der „Blaue Brief“ aus Brüssel ist nur dank Gerhard Schröder nicht zugestellt worden. Im Stil von Briten-Premier Tony Blair setzt Barroso auf die Privatisierung von Staatsunternehmen - und auf Steuersenkungen, um mehr ausländische Unternehmen anzulocken. Auch Investitionen in die marode Infrastruktur sind nötig - nicht nur, weil 2004 die Fußball-EM ansteht und vor einem Jahr bei Porto die 116 Jahre alte Duoro-Brücke einstürzte und über 60 Menschen in den Tod riß.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen