© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/02 22. März 2002


Man muß ihn gelesen haben
Die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung widmete sich Alain de Benoist - und fand lobende Worte
Ekkehard Schultz

Die Philosophie Alain de Benoists stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung, zu der die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung am 13. März einlud. Zwar ließ der Titel des angekündigten Referats „Kulturrevolution von rechts - Ein Rechtsextremist als Philosoph - Alain de Benoist“ eine politische Lehrvorführung billigster Machart befürchten. Doch der weitestgehend sachlich gehaltene Vortrag von Hartmut Schmidt (TU Berlin) vor rund 50 Zuhörern war durchaus interessant. Zumindest bot er als Beispiel der heutigen Auseinandersetzung eines habilitierten Philosophen der klassischen DDR-Schule mit dem französischen Vordenker der „Neuen Rechten“ bemerkenswerte Einblicke.

Gleich zu Beginn seines Referats bescheinigte Schmidt Benoist anerkennend, in der Tradition von klassischen Universalgelehrten zu stehen. Es gäbe heute keinen anderen bekannten Philosophen, der ein ähnlich breites Spektrum von Erkenntnissen aus Natur- und Geisteswissenschaften in seine Arbeiten einfließen lasse. Damit könne Benoist ein kompaktesWeltbild bieten, etwas, über das zur Zeit keine andere Gruppe bzw. soziale Bewegung verfüge. Allerdings sei Benoists deutliche Distanz zu „altem und neuem Faschismus“, Sozialdarwinismus, Rassismus und Nationalismus innerhalb dieses politischen Spektrums noch eine Ausnahmeerscheinung. Diese Einschätzung, so Schmidt, treffe auch auf Benoists generelle Nähe zu Thesen und Begriffsbildungen linker Intellektueller wie zum Beispiel des italienischen Marxisten Gramsci zu. So habe sich in der Praxis die Auffassung, daß zur Erringung politischer Macht zunächst die Erringung kultureller Hegemonie erforderlich sei, bislang nur innerhalb kleiner Intellektuellenzirkel und der NPD durchgesetzt. Andererseits könne man als Indiz für eine erfolgreiche „Kulturrevolution von rechts“ jüngste empirische Befragungen von Studenten und Gymnasiasten werten. Hier sei deutlich erkennbar, daß die ehemals im politischen Raum nahezu stigmatisierten Begriffe „rechts“ und „die Rechten“ längst nicht mehr in dem Maße tabuisiert würden, wie dies noch vor wenigen Jahren der Fall gewesen sei. Zudem hätten sich auch die „Heldenbilder“, auf die auch demokratische Gesellschaften nicht verzichten könnten, deutlich gegenüber früheren Befragungen geändert.

Die Schriften lassen einen Demokraten erkennen

Generell präsentiere sich Benoist in seinen Schriften als „glühender Demokrat“. Eindeutig erkennbar sei eine starke Orientierung zugunsten plebiszitärer Elemente. Das Demokratiemodell Benoists läge somit jenseits staatssozialistischer Vorstellungen, aber auch bloßem liberalen Parlamentarismus. Als bedenklich wurde allerdings von Schmidt bewertet, daß Benoist jenseits politischer Programmschriften noch eine weitere Idee vertrete, nämlich diejenige von einer „neuen Aristokratie“. Hierunter verstehe Benoist keinen Adel im allgemeinen Sinne, sondern eine „Elite des Charakters“. Damit knüpfe Benoist an Max Weber an, der die charismatische Herrschaft als wesentliche Form der Machtausübung erkannt habe. Daraus ergäben sich zwei Probleme: Zwar sei charismatische Herrschaft pro forma auch auf demokratischem Wege denkbar. Dennoch wäre Politik auf der Basis vonVerführung, Begeisterung und Beseelung bedenklich, zumal Charisma eine enge Anbindung an die Erotik aufweise. Ein „Verführter“ oder eine „Verführte“ seien kaum noch zu eigenständigem Denken und Handeln befähigt; hier müsse man an die Verführungskünste eines Haider oder eines Le Pen denken, gab Schmidt zu bedenken. Hinzu käme noch Benoists These vom Volk als „Wesenheit von eigener Persönlichkeit“. Wenn das Volk eine eigene Persönlichkeit darstelle, so Schmidt, dann müsse diese auch einen eigenen Willen haben. Und wenn der eigene Wille des Volkes nicht über die Summe der einzelnen Teile, das heißt der stimmberechtigten Bürger, festgestellt werden könne, wären Wahlen und Volksentscheide nicht das geeignete Mittel, den Volkswillen zu ermitteln. Hierkönne man sich vorstellen, daß Benoist diesen Mangel mit seiner „neuen Aristokratie“ ausgleichen wolle. In der Scheidung von Abstimmungsergebnissenund dem eigentlichen Volkswillen lauerten Bedrohungen für die Demokratie.

Benoist muß man als Philosoph verstehen

Sympathie bringt Schmidt auch Benoists Philosophie der Differenz entgegen, für die Namen wie Jacques Derrida, Jean-Francois Lyotard und Judith Butler stünden. Benoist wirke hier sehr modern, wenn er entgegen des Einheitswahns des „alten und neuen Nazismus“ klar kundtäte, gegen nichts mehr Widerwillen entgegenzubringen, als gegen Indifferenz und den damit einhergehenden Zwang zur Vereinheitlichung. Problematisch werde Benoists Philosophie aber dort,wo sie die These aufgreife, daß die bedeutsamste Differenz die nationale sei. Hier seien Anknüpfungspunkte zu klassischem rechten Denken unverkennbar, die in der apostrophierten Ablehnung aller Immigration und Integration von Ausländern sowie in der Gegnerschaft zur Verschmelzung verschiedener Kulturen deutlich würden.

Bei der anschließenden Diskussion kam zum Ausdruck, daß die Mehrheit der Teilnehmer Schmidts Ausführungen zwar positiv bewertete, allerdings den direkten politischen Bezug vermisste. Schmidt gab zu bedenken, daß sich Benoist als Philosoph verstehe und nicht als Grundsatzschreiber von politischen Proklamationen; so müsse man sich vor der Überinterpretation einzelner Textpassagen hüten und die Kritik an den skizzierten Lücken ansetzen. Dieser Rat wurde auch von den meisten Fragestellern aus dem Publikum befolgt.

Ein Einspruch, daß die Nähe zu einem sich selbst als „Faschisten“ titulierenden Autor wie Armin Mohler, der mehrere Vorworte zu Benoist-Ausgaben verfaßte, auch eine Verwandtschaft zu gleichem Gedankengut offenbare, blieb die Ausnahme. Die Frage, ob die Akademie Francais auch heute noch Benoist einen Essaypreis verleihen würde, beantwortete Schmidt mit der Gegenfrage: „Warum nicht?“ Schließlich würde ein solcher Preis in erster Linie für den geistigen Gehalt der Ausführungen verliehen und nicht nach vordergründig politischen Kriterien.

Am Ende der Veranstaltung ließ es sich Schmidt nicht nehmen, explizit auf das Manifest „Aufstand der Kulturen“ (Edition JF) hinzuweisen. „Man müsse Benoist wenigstens einmal angelesen haben“, so sein Fazit. Auch die Moderatorin der Veranstaltung, Bärbel Möller, meinte abschließend, daß das Referat zu Fragestellungen Anlaß gegeben habe, über die es sich auch in zukünftigen Veranstaltungen noch zu reden lohne.


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