© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
PRO&CONTRA
Krankenhaus-Fallpauschalen einführen?
Joachim M. Schmitt / Frank Ulrich Montgomery

Im Krankenhausbereich findet ab dem Jahr 2004 eine "Revolution" statt. War bislang - grob vereinfacht - die Länge des Krankenhausaufenthalts ausschlaggebend für die Vergütung des Krankenhauses, so werden es künftig "Fallpauschalen" sein, die für einen Behandlungsfall einen bestimmten Betrag vorsehen. Die Unternehmen der Medizintechnologie begrüßen grundsätzlich das Fallpauschalengesetz, das in Deutschland diese Fallpauschalen einführen wird. Warum? Wir glauben, daß die Einführung eines durchgängigen, leistungs- und diagnoseorientierten Fallpauschalensystems zu deutlich mehr Transparenz des Leistungsgeschehens in den deutschen Kliniken führen - und damit zu mehr Qualität und Leistungsfähigkeit der Krankenhausversorgung beitragen wird. Diese Neuerung wird sicherlich zu einer Verkürzung der Liegezeiten in den Kliniken führen.

Innovationen der Medizintechnologie sind unentbehrlich für die Menschen und müssen allen Patienten, die sie benötigen, ohne Verzögerungen zur Verfügung gestellt werden! Hier hat der Bundesrat durch die Einführung einer verpflichtenden Vergütungsregelung für Innovationen Verbesserungen erreicht. Nach dem Beschluß sollen das Krankenhaus und die Krankenkasse verpflichtet werden, zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu vereinbaren. Diese flexible Regelung sehen die Medizintechnologie-Unternehmen als notwendigen Schritt an, um den Patienten die Teilhabe am medizinischen Fortschritt zu ermöglichen. Hierzu ist die Eigeninitiative der Krankenhäuser, innovative Behandlungsmethoden einzusetzen, durch verläßliche Kriterien über deren Finanzierung sicherzustellen.

Wichtig für den Erfolg des neuen Systems ist es auch, es nicht vor den Toren der Kliniken enden zu lassen, sondern auf andere Anbieterbereiche auszudehnen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert - und es ist Eile geboten.

 

Joachim M. Schmitt ist Geschäftsführer des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed) und Teilnehmer am "Runden Tisch".

 

 

Das beschlossene Fallpauschalengesetz ist ein fauler Kompromiß, der voll zu Lasten der Patienten und der Klinikärzte gehen wird. Zwar ist grundsätzlich begrüßenswert, daß das Gesetz im Bundesrat beschlossen wurde, da ein Scheitern des jahrelangen Reformprojektes für alle Beteiligten fatal gewesen wäre. Dennoch ist es mit gefährlichen Systemfehlern behaftet, die insbesondere zu einer weiteren Verdichtung der Arbeit und somit zu einer zunehmenden Gefährdung der Patienten durch überlastete Klinikärzte führen wird.

Wir lehnen insbesondere den Kompromiß zur Arbeitszeit entschieden ab, da es die tatsächlich anfallende Arbeit der Klinikärzte völlig unzureichend berücksichtigt. Die zugesicherten 200 Millionen Euro für die Jahre 2003/2004 sind lediglich als "Kleingeld" zu bezeichnen, mit dem man keine vernünftige Zahl an zusätzlichen Ärzten und Krankenschwestern einstellen kann, um der systematischen Überlastung des Klinikpersonals entgegenzutreten. Schon heute arbeiten Klinikärzte bis zum Rande ihrer Erschöpfung und leisten Dienste von über 30 Stunden am Stück. Mit den Fallpauschalen wird diese gesetzwidrige Arbeitsverdichtung zunehmen, da sie die Behandlung von möglichst vielen Patienten in kurzer Zeit verlangen. Die Gefahr, von einem übermüdeten Arzt behandelt zu werden, steigt somit um ein Vielfaches.

Als Interessenvertreter der Klinikärzte werden wir alle uns zu Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die gravierenden Nachteile bis zur Einführung des Gesetzes abzuwenden.

Dazu gehört insbesondere die Einstellung von 15.000 zusätzlichen Klinikärzten und rund 20.000 Krankenschwestern, die die Arbeitsverdichtung auf ein humanes Maß reduzieren und eine sichere Patientenversorgung gewährleisten würden.

 

Dr. Frank Ulrich Montgomery ist 1. Vorsitzender des Marburger Bundes - Bundesverband.


 
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