© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Kolumne
Sozial verträglich
Heinrich Lummer

Gerade hat der Senat das Sparen versucht. Das Ergebnis ist unzulänglich. Natürlich will er nicht nur sparen, sondern auch politisch gestalten. Je größer die Sparzwänge, desto geringer die Gestaltungsmöglichkeiten. Sozialisten wollen immer gern "sozial verträglich" sparen. Das ist wohl auch gut so. Immer aber ist es auch ihre Devise, Umverteilung vorzunehmen und nicht Leistungssteigerung. Und dies ist nicht gut so. Denn die Heilung eines Haushalts erreicht man nicht, wenn man bei der ohnehin hohen Staatsquote von etwa 50 Prozent noch daran denkt, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, die hohen Einkommen noch höher zu besteuern und ebenso die großen Erbschaften. Das hatten wir doch schon alles in der DDR. Und es hat nicht funktioniert. "Was ist eine Ölsardine?", fragte einmal jemand in einer meiner Wahlversammlungen. Er gab selbst die Antwort und sagte: "Eine Ölsardine ist keine Ölsardine. Eine Ölsardine ist ein Walfisch, der den Sozialismus überdauert hat." Das ist wohl etwas dran.

Deshalb ein sinnvoller Sparvorschlag. Immer wenn bei uns besonders erscheinende Aufgaben diskutiert werden, kommt die Forderung der betreffenden Klientel, dafür einen Sonder-Beauftragten einzurichten. So haben wir unter anderem Ausländerbeauftragte, Frauenbeauftragte, Behörden-, Drogen-, Balkan- bis hin zu Rock-Beauftragten. Kein Witz - Berlin leistet sich einen Rock-Beauftragten.

Es liegt nun im Wesen dieser Beauftragten, daß sie zu Vertretern ihrer Klientel werden, die schnell das Gemeinwohl aus dem Auge verlieren. Sie werden zu nackten Lobbyisten. Und das ist nicht gut so. So wurde das gut gemeinte Beauftragtenwesen zu einem ausgesprochenen Unwesen. Es kostet viel Geld durch das Personal. Und dieses Personal muß sich selbst rechtfertigen, indem es Programme macht, die wiederum Geld kosten. Die Bedeutung eines Beauftragten wird auch an der Höhe seines Etats sichtbar. Erst ist da der Beauftragte, dann die Sekretärin und schließlich eine Behörde. Man sollte sie alle schließen, weil auch gerade die speziellen Aufgaben in einem Ressort besser aufgehoben sind, das sich auch um andere Aufgaben kümmern muß. Der Ressortegoismus reicht. Es muß nicht noch das Beauftragtenunwesen geben. So täte man gut daran, dieses Unwesen ganz und gar abzuschaffen und nie wieder einzuführen. Mit dem Rasenmäher sparen, bedeutet den Verzicht auf Gestalten. Aufgabenkritik sei das Wort der Stunde: Weg mit den Beauftragten. Oder sollte man einen Beauftragten fürs Sparen einsetzen? Womöglich kommt auch jemand auf diese Schnapsidee.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a. D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
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