© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Neue Kontinentalsperre
Großbritannien: Lady Thatcher wettert wieder gegen die EU
Catherine Owerman

Der Euro werde jetzt durch die Hintertür eingeschleust, warnten briti-sche Medien zum Jahresbeginn, als mehrere Kaufhausketten ankündigten, den Touristen vom Festland auch Euros abzunehmen. Inzwischen sind wohl mehr besorgte oder zustimmende Artikel zum Thema erschienen, als tatsächlich Brüsseler Silberlinge in die Kassen der Insulaner wanderten. Nach wie vor lehnt die Mehrheit der Wähler Umfragen zufolge ab, das Pfund Sterling aufzugeben.

Indessen schlägt Ex-Premier Lady Margaret Thatcher in ihrer EU-Kritik immer radikalere Töne an. Ihr neues Buch "Statecraft", die "Kunst des Regierens", welches die Times seit letzter Woche in Auszügen abdruckt, enthält einige harsche Attacken gegen das Brüsseler "utopische Projekt, ein Monument für die Eitelkeit von Intellektuellen, ein Programm, das unabwendbar zum Scheitern verurteilt ist".

Thatchers Giftpfeile kennen nur eine Richtung: "Während meines ganzen Lebens wurden fast alle Probleme, mit denen die Welt konfrontiert war, vom europäischen Festland verursacht und von außen gelöst", behauptet sie. Als Beleg führt sie den Nationalsozialismus, den Marxismus und den Kalten Krieg an. Sie habe als junge Ministerin im Kabinett Heath den EU-Beitritt befürwortet, gibt die 76jährige Baroness zu, seitdem sei die Entwicklung in eine Richtung gegangen, die ihr nicht gefalle.

Sie sei naiv gewesen, nur Enoch Powell habe die Gefahren schon früh erkannt, lobt sie den rechtskonservativen, später verfemten Tory-Politiker. Obwohl die "Eiserne Lady" nicht explizit den Austritt aus der EU fordert, legt ihre Aufzählung all der Vorteile eines solchen Schrittes diesen Gedanken nahe, zumal sie die EU für "unreformierbar" hält. Großbritannien solle sich zumindest aus der gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik abmelden. Auch in der Außenpolitik dürfe man sich nicht Brüssel anvertrauen, heißt es in "Statecraft".

Während die Tory-Führung betreten schweigt, freut sich das liberale Establishment über die Gelegenheit, mit einer EU-Debatte die Tories zu entzweien. Nach Monaten voll unerfreulicher Meldungen über überfüllte Krankenhäuser, verspätete Züge und ausufernde Kriminalität kann so die Aufmerksamkeit auf die "Eiserne Lady" der Konservativen gelenkt werden.

Ex-Labour-Chef Neil Kinnock, heute EU-Kommissar, urteilte über Thatchers Buch, es enthalte "keine Staatskunst, sondern langweilige Stammtischparolen". Etwas zurückhaltender äußerte sich Chris Patten, ehemaliger Minister Thatchers und heute EU-Kommissar für Außenpolitik: "Anders als andere politische Führer, die nachdenklicher und moderater werden, wenn sie ihr Amt verlassen, hat Lady Thatcher manche ihrer Auffassungen ins Extrem gesteigert." Premier Tony Blair, gerade mit leichter Bräune aber ohne vorzeigbare Ergebnisse vom EU-Gipfel in Barcelona heimgekehrt, hielt Tory-Chef Iain Duncan Smith vor, sich nicht von Thatcher zu distanzieren.

Smith, der bislang eher farblose Ex-Soldat, ist in der Zwickmühle: Er darf seine Fördererin nicht verärgern und muß doch endlich die Partei von ihrer "Überfigur" emanzipieren.


 
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