© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Eine neue Schöpfung
Osterfest: Von der Auferstehung des Gottessohnes und dem Wiedererwachen der Natur
Rolf Sauerzapf

Der im 8. Jahrhundert wirkende Kirchenlehrer Beda Venerabilis leitete den Namen "Ostern" von der germanischen Göttin Ostera ab. Auch eine Frühlingsgöttin Eostar wird genannt. Wieder andere deuten Ostern von dem Begriff "osdagr", dem Tag der Asen. So ist eigentlich bis heute im Brauchtum Ostern als Fest des Wiedererwachens der Natur allgegenwärtig: Ei und Osterhase sind Sinnbilder der Fruchtbarkeit.

Dem hat auch Johann Wolfgang von Goethe in seinem "Faust" Rechnung getragen, wo er diesen bei seinem Osterspaziergang sagen läßt: "Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick, im Tale gründet Hoffnungsglück; der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in raue Berge zurück ..." Goethe knüpft mit seinem "Osterspaziergang" an die Flurbegehung der Bauern im Frühjahr an. Bei dem Brauch des Osterfeuers wird symbolisch das Alte und Unbrauchbare mit dem hinter uns liegenden Winter verbrannt.

Diese Bräuche gehören zu unserer Kultur. Sie gehören damit nicht nur in den Bereich der Kinderwelt. Für uns ist Ostern mit seinen Ferien aber auch die Zeit, wo sich kilometerlange Fahrzeugschlangen auf der Autobahn meist nach Süden bewegen und oft für stundenlange Staus sorgen.

In der Kirche des Abendlandes wird Ostern als das Fest der Auferstehung am ersten Sonntag nach dem Vollmond des beginnenden Frühjahrs gefeiert. Der Karfreitag stellt das Leiden und Sterben des Mannes aus Nazareth in den Mittelpunkt. "O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn ...", heißt es bei dem größten evangelischen Kirchenliederdichter Paul Gerhardt. Am Karsamstag begraben ihn seine Anhänger in einem Felsengrab in Jerusalem. Am ersten Tag der Woche, eben am Ostersonntag, begegnet der Engel Gottes den verängstigten Frauen am Grab mit der Botschaft: "Der Herr ist auferstanden!" Diese Botschaft und die Erscheinung des Auferstandenen unter seinen demoralisierten Jüngern begründet den christlichen Glauben. Das Apostolische Glaubenskenntnis formuliert es so: "Am dritten Tag auferstanden von den Toten." Nicht erst heute tun sich viele Menschen schwer mit dieser Kernaussage des Evangeliums. Den Lehrer und Heiler, ja sogar den Sozialrevolutionär Jesus von Nazareth könnten viele Menschen akzeptieren. Und doch ist dies die zentrale Aussage der Bibel: Durch den auferstandenen Gottessohn werden wir hineingenommen in den Prozeß der Wiedergeburt zu einem neuen Menschen; am Ende der Welt aber steht die neue Schöpfung durch den Wiederkommenden.

Lange Zeit war für evangelische Christen der Karfreitag ihr höchster Feiertag. In unseren Tagen haben die Kirchen des Westens Ostern neu entdeckt als ihr höchstes Fest. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Feier der Osternacht. Jesus Christus hat gesagt: "Ich bin das Licht der Welt!" In einer halbdunklen Kirche enzünden die Besucher der Osternachtfeier ihre eigene Kerze an der Osterkerze und nehmen sie mit in ihren Alltag.

Für die Kirche des Ostens, insbesondere die russisch-orthodoxe, war Ostern immer schon ihr höchster Feiertag, von dem sie ihren Glauben bezogen. Man muß einen solchen Gottesdienst einmal miterlebt haben mit seiner tiefen Symbolik, seiner reichen Liturgie und seinen bewegenden Männerchören. "Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!" Von dieser Botschaft nahmen Menschen in Rußland ihren Glauben, nicht zuletzt in den langen siebzig Jahren der Unterdrückung durch den Kommunismus. Als ich in den achtziger Jahren auf einem sowjetischen Kreuzfahrtschiff als Pastor und Lektor Dienst tat, wurden wir Passagiere in Genua an Ostersonntag vom Kapitän und den Offizieren der "Odessa" verabschiedet. Ich verabschiedete mich mit der Osterbotschaft "Christos woskresse" - Der Herr ist auferstanden!" Trotz kommunistischer Indoktrination verstanden mich die Russen nur zu gut. Einige Jahre später konnte man sich in St. Petersburg mit diesen Worten auch auf der Straße wieder grüßen. Heute spielt die orthodoxe Kirche bei der nationalen Renaissance Rußlands die entscheidende Rolle.

Im Protestantismus ist freilich der Osterglaube durch Aufklärung und Rationalismus arg beschädigt worden. Viele Vernunftgläubige konnten und wollten mit diesem Glauben nichts mehr anfangen. Unterstützung bekamen sie durch den Marburger Theologieprofessor Rudolf Bultmann mit seiner "Entmythologisierungstheologie". Bultmann läßt Christus nur "ins Wort" (griechisch: Kerygma) auferstehen. Das Grab Jesu war für ihn und seine Schüler nicht leer geworden.

Um so wichtiger wurde, daß der junge Dozent Walter Künneth schon 1933 seine "Theologie der Auferstehung" herausbrachte. Als Leiter der Apologetischen Zentrale der Deutschen Evangelischen Kirche in Berlin lieferte er der glaubenden und bekennenden Gemeinde ein gutes Rüstzeug in den Auseinandersetzungen des Kirchenkampfes im Dritten Reich.

In den sechziger und siebziger Jahren trat Künneth von Erlangen aus, wo er nach 1945 eine Professur erhielt, noch einmal an die Front dieses "zweiten Kirchenkampfes": Von seiner "Theologie der Auferstehung" her wandte er sich gegen ein "Beliebigkeits-Christentum", das auf vielen Kanzeln gepredigt wurde. Die Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium" konnte damals auf Kundgebungen Zehntausende mobiliseren, die für den "alten" (Oster-)Glauben zeugten.

Wenn die evangelische Kirche von heute aus ihrem Selbstzerstörungsprozeß herauskommen will, muß sie ihren Schwerpunkt wieder bei Kreuz und Auferstehung Jesu Christi beziehen. Ostern will uns auch dieses Jahr sagen: Trotz des 11. September 2001 - Krieg und Tod, Krankheit und Not werden nicht das letzte Wort behalten, sondern der auferstandene Gottessohn, der Menschen Kraft zum Überleben und Neuwerden schenkt.

"Europa ist unter dem Kreuz entstanden", schrieb 1937 der konservative Sozialdemokrat August Winnig. Dieser Bestimmung ist das Abendland in den letzten Jahrzehnten immer mehr untreu geworden. Eine Spaß- und Wohlstandsgesellschaft breitete sich aus, die auch den 11. September 2001 überdauert hat. Ein wiedererstarkter Islam steht den Dekadenzerscheinungen bei Europäern, besonders bei den Deutschen, gegenüber, ja einem Hedonismus, der sie reif macht für eine multikulturelle Gesellschaft, an dessen Ende die geburtenstarken Muslime die Macht übernehmen werden. Die Europäer und die Deutschen werden nur überleben, wenn sie ihre christliche und nationale Identität wiederentdecken.

Nach der Wende in Ostmitteleuropa und dem Zusammenbruch des Kommunismus kam es in diesen Ländern fast überall zu einer nationalen und religiösen Renaissance. Die einzige Ausnahme bildete die einstige DDR, wo die Zahl der Christen heute bei etwa 25 Prozent liegt.

Die Auferstehungsbotschaft gilt nicht nur dem Einzelnen. Als Christen wissen wir, daß Gott die Geschicke der Völker und Kulturen kennt und lenkt. Wenn in Sodom zehn Gerechte gewesen wären, hätte der Untergang nicht stattgefunden. Wieviele Gerechte braucht Deutschland, um Selbstzerstörung, Dekadenz und Hedonismus zu stoppen?

 

Kirchenrat Dr. Rolf Sauerzapf war bis 2000 der Evangelische Grenzschutzdekan.


 
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