© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Flucht durch den Notausgang
Unhöfliche Gastgeber: Der Eklat auf der Pariser Buchmesse vergiftet das europäische Klima
Richard Stoltz

Das Datum verdient festgehalten zu werden: Im "Salon du Livre", der traditionellen Pariser Buchmesse, wo es - wie in Frankfurt - stets einen "Ehrengast" gibt, also ein Land, dessen Literatur ausdrücklich mit Festreden und Staatsempfängen geehrt und vorgezeigt wird, sind sich die Ehrengäste jetzt ihres Lebens nicht mehr sicher. Sie werden beleidigt, gedemütigt und attackiert. Statt Ehrbezeigung gibt es Spießrutenlauf.

Italien war heuer in Paris der "Ehrengast", aber schon vor Eröffnung der Messe setzte in den Medien und von Seiten der linken französischen Regierung eine Hetze gegen die Italiener ein. Die Kulturministerin Catherine Tasca erklärte in aller Öffentlichkeit, sie werde Roms Ministerpräsidenten Berlusconi, falls er es wagen sollte, die Messe zu besuchen, den Handschlag verweigern. Aktivisten der autonomen Pariser Szene, verstärkt durch einige extra aus Italien angereiste Genossen, verhinderten gewaltsam einen Vortrag des Staatssekretärs Vittorio Sgarbi zum Thema "Geschichte und Geographie der italienischen Kunst". Sgarbi und andere aus Rom angereiste Offizielle konnten das Messegelände gerade noch unversehrt durch einen Notausgang verlassen.

Kurz vorher war in Bologna der Wirtschaftsberater der römischen Regierung, Marco Biagi, von Linksautonomen auf offener Straße erschossen worden. Doch die Pariser Aktivisten wurden dadurch keineswegs zur Zurückhaltung veranlaßt, im Gegenteil, sie entfalteten vor den italienischen Buchständen Plakate mit der Aufschrift "Mörder!", so als hätte die italienische Regierung selbst ihren Berater erschossen.

Die Randalierer dienten offenbar als Handlanger der Regierung, und diese benutzte den "Salon du Livre" ungeniert, um an die berüchtigten Sanktionen der EU gegen Österreich anzuknüpfen und das europäische Klima wieder einmal gründlich zu vergiften. Eine Buchmesse als Giftpfeil, so etwas hat es bisher noch nicht gegeben. Die Pariser werden sich viel Mühe geben müssen, wenn sie ihren Ruf als höfliche Gastgeber wiederherstellen wollen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen