© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/02 05. April 2002

 
"Schill wird sich um die Demokratie verdient machen"
Wahlkampf: Interview mit Joachim Siegerist, Chef der "Deutschen Konservativen", über seine Unterstützungsaktion für die Schill-Partei
Matthias Bäkermann

Herr Siegerist, "Die Deutschen Konservativen" haben in der vergangenen Woche eine Anzeige in der "FAZ" geschaltet, in der Sie dazu auffordern, im Bund Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zu unterstützen, bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt allerdings für die Schill-Partei zu votieren. Wie ist die Reaktion auf diese Aktion?

Siegerist: Zu unserer großen Freude ist die Anzeige auf breite Resonanz gestoßen. Allein am ersten Tag haben wir über 700 Reaktionen bekommen, wir rechnen insgesamt mit vier- bis fünftausend Antworten. Jetzt werden wir die Anzeige gezielt in Sachsen-Anhalt schalten. Schließlich haben zum ersten Mal in einer bundesweiten Zeitung politisch unabhängige Leute, darunter einige mit bekanntem Namen, in puncto Schill-Partei offen Farbe bekannt.

Sie waren gerade vierzehn Tage in Sachsen-Anhalt und haben dort mit vielen Mitgliedern des CDU-Landesverbandes gesprochen.

Siegerist: Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was Edmund Stoiber offiziell gegen die Schill-Partei sagt, und dem, was die CDU in Sachsen-Anhalt wünscht. Die sachsen-anhaltinische CDU ist sich völlig im klaren darüber, daß sie ohne Schill nicht die geringste Chance hat, die rot-rote Regierungskoalition abzulösen. Sprechen Sie selbst mit den Leuten in Sachsen-Anhalt und Sie werden merken, daß man dort nicht nur einen Erfolg der Schill-Partei wünscht, sondern sogar hofft, daß das Ergebnis von Hamburg sich wiederholt.

Allerdings wird die CDU, wie schon in Hamburg, wohl zu schwach sein, um eine bürgerliche Koalition ohne die FDP zu ermöglichen. Cornelia Pieper, die Spitzenkandidatin der FDP in Sachsen-Anhalt, hat sich aber distanziert gegenüber der Schill-Partei geäußert.

Siegerist: Frau Pieper wird nach der Wahl vor der Frage stehen, mit der SPD und PDS oder mit CDU und Schill zu koalieren, weil beide Konstellationen alleine wohl nicht genug Stimmen erhalten werden. Da wird sich die FDP wohl lieber für eine Koalition mit der CDU und der Schill-Partei entscheiden.

Anders als in Hamburg liegen die Umfragewerte der Schill-Partei in Sachsen-Anhalt gerademal bei nur vier Prozent.

Siegerist: Die Schill-Partei wird deutlich über fünf Prozent kommen. Außerdem hat allein die Ankündigung der Schill-Partei, bei den Landtagswahlen anzutreten, zu einem Verzicht der DVU geführt, und zweitens wird die PDS von den Mitteldeutschen nicht als kommunistische, sondern als Protestpartei gewählt. Es ist also ein erhebliches Protestpotential im Lande vorhanden, das sicherlich bereit ist, die Stimme auch einer demokratischen Partei zu geben, wenn diese eine überzeugende Protesthaltung deutlich macht. Schill wird die ehemals extremistischen Protestwähler von links und rechts aufsaugen und sich damit um die Demokratie verdient machen. Damit hat er für die Demokratie mehr geleistet als etablierte Quatschköpfe, die nur davon reden.

Allerdings stellt sich die Frage, für was die Schill-Partei eigentlich steht: Ist die Schill-Partei eine konservative Partei?

Siegerist: Es ist richtig, die Schill-Partei ist derzeit inhaltlich noch keineswegs gefestigt. Gefühlsmäßig geht sie in die bürgerlich-konservative Richtung, aber der "weltanschauliche Unterbau" fehlt leider völlig. Momentan reagiert die Schill-Partei noch beinahe hysterisch auf Berührungen mit Elementen der demokratischen Rechten. Ich glaube aber, daß sich dieses Verhältnis im Laufe der kommenden zwölf Monate deutlich entspannen wird.

Edmund Stoiber hat sich über Ihre Anzeige sehr verärgert gezeigt, zuvor sogar versucht, Sie zu verhindern.

Siegerist: Sein Büro hat mir mitgeteilt, daß Herr Stoiber Unterstützung für Schill als "persönliche Kampfansage gegen sich selbst" betrachtet. Darauf können wir aber keine Rücksicht nehmen, denn wir sind keine Vorfeldorganisation einer Partei, sondern setzen uns für die konservative Sache ein. Wir sind unabhängig und fragen weder Herrn Stoiber noch Herrn Schill um Erlaubnis für unsere politische Arbeit.

Das heißt, diese Aktion ist nicht mit der Schill-Partei abgesprochen worden?

Siegerist: Nein, wir haben die Schill-Partei lediglich darüber informiert. Zwar hat sich Heinrich Lummer mit Ronald Schill zum Gespräch getroffen und ich mich mit Ulrich Marseille, aber wir treffen, was die Selbständigkeit unserer Arbeit angeht, keine Absprachen, denn das würde uns als politischen Interessenverband nur einengen und unsere Glaubwürdigkeit untergraben. Für uns gibt es weder in Berlin noch in München ein Befehslzentrale

 

Joachim Siegerist, 55, langjähriger Springer-Journalist, ist Vorsitzender des Vereins "Die Deutschen Konservativen" in Hamburg

 

weitere Interview-Partner der JF


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen