© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/02 05. April 2002

 
Zeitschriftenkritik: Wirtschaft & Wissenschaft
Unter die Lupe genommen
Werner Olles

Viermal jährlich gibt der "Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft" im mittlerweile zehnten Jahrgang die Zeitschrift Wirtschaft & Wissenschaft (W&W) heraus. Auf jeweils etwa 70 Seiten informieren hier ausgewählte Fachaufsätze aus dem gesamten Spektrum der Forschung über Hochschulpolitik, Wissenschaftsförderung und Stiftungswesen und gehen aktuellen Fragen aus Wissenschaft und Gesellschaft auf den Grund.

In der aktuellen Ausgabe werden unter anderem private internationale Hochschulen, die wegen des Reformstaus an den staatlichen Hochschulen auch in Deutschland in Mode gekommen sind, unter die Lupe genommen. Tatsächlich - so das Fazit einer vom Stifterverband eingesetzten Expertenkommission, deren Bewertungen W&W dokumentiert -, nutzen jedoch nicht alle Privaten ihre Autonomie für wirkliche Innovationen und Qualitätsverbesserungen. So ergab sich insgesamt ein sehr differenziertes Bild der untersuchten 16 privaten Hochschuleinrichtungen, das auf Verbesserungspotentiale sowohl im privaten als auch im staatlichen Hochschulbereich hinweist.

"Sogenannte historische Wahrheiten im Licht kritischer Betrachtung" offenbart Wolfgang Reinhard in seinem Aufsatz "Geschichte als Delegitimation". Am Beispiel der "Leyenda negra", der unter tatkräftiger Mitwirkung von Martin Luther und Wilhelm von Oranien mit neuen Bestandteilen angereicherten "schwarzen Legende", jener gehässigen Charakteristik der Spanier, mit der bereits im 15. Jahrhundert die Abneigung gegen die damalige westliche Führungsmacht zum Ausdruck gebracht wurde, beschreibt der Autor, wie der Völkermordvorwurf an zwölf Millionen lateinamerikanischen Indios zur Legitimation von allerhand spanienfeindlichen Aktionen diente. Zwar lasse sich der Bevölkerungsrückgang der Indianer und die Verbrechen der Conquista nicht bestreiten, aber das Massensterben ging vor allem auf die fehlende Immunität der bisher isolierten Einwohner der Neuen Welt gegen die von Europäern und Afrikanern eingeschleppten Infektionskrankheiten zurück. Die von dem Mönch Las Casas erwähnten zwölf Millionen Indios hat Wilhelm von Oranien dann großzügig auf 20 Millionen aufgerundet.

Über die "Entstaatlichung des Krieges" schreibt Herfried Münkler und konstatiert das tendenzielle Verschwinden zwischenstaatlicher Kriege und das Vordringen innerstaatlicher Konflikte, klassischer Bürgerkriege also. Standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Kriege im wesentlichen Staatenkriege waren, zehn Prozent Nonkombattanten unter den Opfern 90 Prozent Kombattanten gegenüber, habe sich dieses Verhältnis inzwischen umgekehrt. In den neuen Kriegen richte sich die Gewalt primär gegen die Zivilbevölkerung und nur noch partiell gegen bewaffnete feindliche Kräfte. Die von vielen Beobachtern registrierte Tatsache, das in Bürgerkriegen innerhalb kürzester Zeit aus Nachbarn Todfeinde werden, führt der Autor nicht zuletzt auf das Schwinden der Zeitperspektive, das heißt das Schrumpfen der Zukunft zurück.

 

Anschrift: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Barkhovenallee 1, 45239 Essen.


 
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