© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Beweglichkeit
Karl Heinzen

Gianfranco Fini hat seine einst freimütig geäußerte Bewunderung für Benito Mussolini nicht aus taktischen Motiven aufgegeben, sondern weil er am Horizont einen Staatsmann auftauchen sieht, der eine noch bessere Figur zu machen verspricht. Dieser Staatsmann, auf dem alle seine Hoffnungen ruhen, ist er selbst. Da er noch nicht am Ziel ist, das formell einflußreichste Amt des offiziellen Italien zu bekleiden, hat er seinem Parteivolk der Alleanza Nazionale auf ihrem jüngsten Konvent in Bologna zurecht Zukunftsorientierung als die beste Vergangenheitsbewältigung verordnet.

Fini war es vergönnt, aus den neofaschistischen Schmuddelkindern der italienischen Nachkriegspolitik eine moderne Rechtspartei zu formen. Modern heißt: Die Partei hat begriffen, daß die Politik Entscheidungen nicht zu treffen, sondern zu moderieren hat. Darin liegt nicht nur in der Praxis, sondern bereits im Anspruch ein Traditionsbruch mit der faschistischen Vergangenheit. Rechts heißt in diesem Zusammenhang: Die Partei hält die bestehenden Eigentums- und daher Machtverhältnisse für grundsätzlich legitim und erklärt sich bereit, zu ihrer Verteidigung beizutragen. Da diese Eigentumsverhältnisse von vielen, nicht zuletzt von Silvio Berlusconi selbst, verteidigt werden, muß hier in besonderer Weise auf eine geeignete Profilierung Wert gelegt werden. Die Alleanza Nazionale weist deshalb darauf hin, daß sich nicht nur die Reichen und Schönen durch ihre Leistung für das Gemeinwesen aufopfern, sondern auch sehr viele einfache und namenlose Menschen überall im Land. Sie verkörpert damit sozusagen das sozialliberale Gewissen der derzeitigen italienischen Regierungskoalition. Wie es sich für eine parlamentarische Ordnung gehört, dürfte sie über kurz oder lang für alle Demokraten ein denkbarer Bündnispartner sein.

Fini und seine Alleanza Nazionale haben zur Entzauberung des Totalitarismus mehr beigetragen als alle Pamphletisten und Aktivisten, die irgendwelchen Anfängen wehren wollten, zusammen. Bislang durfte man nur darauf vertrauen, daß es möglich ist, die jeweils aktuelle radikale Linke, wie systemfeindlich sie sich anfänglich auch gebärdet haben mag, für die bürgerliche Demokratie zu gewinnen.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland haben wir, was zunächst die SPD, dann die Grünen und unterdessen die PDS betrifft, hier gute Erfahrungen gemacht. Die radikale Rechte hingegen mußte man für irrational und somit unberechenbar halten. Dieses Klischee haben die italienischen Postfaschisten als der härteste Brocken der rechten europäischen Parteienlandschaft ein für alle Male widerlegt. Sie haben sogar gezeigt, daß die Euphorie, die Ausgrenzung aus eigener Kraft überwinden zu können, hier eine noch größere programmatische Beweglichkeit erzeugt als auf der Linken. Nicht schon 2002, aber irgendwann sollten auch wir daraus lernen: Die Rechte ist keine Gefahr für die Demokratie, wenn man sie nur dazugehören läßt.


 
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