© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002

 
Kolumne
Innere Mission
Heinrich Lummer

Beinahe unisono versuchten die Spitzen der Kirchen, der CDU/CSU nahezulegen, sie möge doch dem Zuwanderungsgesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen. Das sei nicht nur sehr christlich, sondern gereiche ihnen auch zum Vorteil. Es sei eine Schande, meinte der katholische Kardinal, wenn man nicht zustimme. Und der Kompromiß sei ja so großartig, daß man ihn nicht ablehnen dürfe, meinte der evangelische Bischof. Ich meine, die Herren irren und zwar fundamental.

Ihre Kompetenz in diesen Fragen ist zunächst zweifelhaft. Wen oder was repräsentieren sie eigentlich noch in Berlin-Brandenburg? Statt christliche Mission in einer Region zu betreiben, wo es kaum noch Christen gibt, stürzen sie sich in die Politik und kämpfen den Kampf der Muslime für ein Recht auf Einwanderung. Gerade dadurch wird die Rolle der Kirchen weiter relativiert. Sie sägen an dem Ast, auf dem sie selber sitzen. Auch stehen die von ihnen vertretenen Christen keineswegs hinter ihren Vormännern. Eine klare Mehrheit im Lande, auch der steuerzahlenden Christen, will eine klare Einschränkung der Zuwanderung. Es ist demokratisch, wenn man dem Rechnung trägt. Und das ist keineswegs eine Schande für die Politiker, die das vorliegende Gesetz ablehnen, weil es immer noch eine Ausdehnung der Zuwanderungsmöglichkeiten vorsieht.

Ein wesentliches - auch christlich begründetes Ziel - muß die bessere Integration derer sein, die schon hier sind. Diese Integration ist auch deshalb mangelhaft, weil die Zahl der hier lebenden Einwanderer zu groß geworden ist und ihr Interesse mehr an einer Parallelgesellschaft denn an Intergration orientiert ist. Das kann den inneren Frieden nicht fördern.

So entfernen sich die Hirten mit ihren Sprüchen von der Herde. Sie täten besser daran, jenen nachzugehen, die ihren Austritt aus der Kirche betreiben und mit ihnen ein Gespräch zu suchen. In der Politik mitzumischen, verringert nur die Neigung der Bürger, einer Organisation Kirchensteuer zu zahlen, die Ziele vertritt, die ein politisch bewußter Bürger ablehnt, ohne gleich gegen christliche Prinzipien zu verstoßen.

Natürlich soll man helfen: Politisch Verfolgte haben wir in beispielhaft großer Zahl aufgenommen. Die Zahl darf jedoch nicht so hoch werden, daß man die eigene Identität verliert - auch als christlich geprägtes Land. Außerdem hatten die meisten Aufgenommenen ziemlich banale ökonomische Gründe. Sie suchten volle Tröge und satte Weiden, nicht die Freiheit. In dieser Beobachtung sollten sich die Hirten nicht von ihrer Herde entfernen.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a. D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
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