© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002

 
Meldungen

Rechte Massenparteien als Auslaufmodelle

BERLIN. Was sich im alten Ostblock an neuen Rechtsaußenparteien formiert, ist nach Ansicht junger deutscher Slawisten und Osteuropa-Historiker die nur temporär unangenehme Folge der 1989 ausgelösten politisch-ökonomischen "Transformierungsprozesse" (Osteuropa, 3/02). Mittelfristig, wenn die "Verwestlichung" überall Frieden und Wohlstand gebracht hat, werden Phänomene wie die nationalkommunistisch angehauchte rumänische Partida Romania Mare, Ungarns "Wahrheits- und Lebenspartei" (MIÉP) István Csurkas oder die "religiös-fundamentalistische, antisemitische 'Liga der Polnischen Familien'" aus dem dann liberaldemokratisch gefestigten Parteienspektrum im EU-Erweiterungsraum verschwunden sein. In Polen deute das Potential der radikalen Rechten auf Defizite in der rasch nachzuholenden Vergangenheitsbewältigung hin, die sich der Funktion des polnischen Nationalismus vom Zuschnitt Roman Dmowskis annehmen müsse, der auf "radikal ethnischen Ausschlußkriterien" beruhe. Daß die von Andreas Bock als Sammelbecken der Modernisierungsverlierer charakterisierte Partei Csurkas im ersten Wahlgang bei den Ungarischen Parlamentswahlen am 7. April die Fünf-Prozent-Hürde knapp verfahlt hat, könnte - zumindest für die Lage in Ungarn - ein Beweis für die von Bock formulierte These sein.

 

Sterben im Bombenhagel bald in der Deutschstunde

SEELZE. In einem Themenheft über "Tod und Literatur" befaßt sich die Zeitschrift Der Deutschunterricht (1/02) mit der literarischen Verarbeitung des angloamerikanischen Bombenkriegs gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Daß 750. 000 Tote, 7,5 Millionen Obdachlose und 3,5 Millionen zerstörte Wohnungen kaum Schmerzensspuren im kollektiven Bewußtsein hinterlassen haben, löste 1997 die "Sebald-Debatte" aus, in deren Verlauf Hans-Erich Nossacks "Der Untergang" und Gert Ledigs "Vergeltung" wiederentdeckt wurden, die eindringlichsten Schilderungen der Bombardierung deutscher Städte in der Nachkriegsliteratur. Fritz Gesing analysiert beide Texte und empfiehlt sie nachdrücklich für eine Behandlung im Schulunterricht - mit der politisch inkorrekten Pointe, daß solche "Katastrophen" sich "vorschneller Urteilsbildung" und "moralischer Überheblichkeit" entzögen.

 

Gesellschaft entwickelt sich zur "Transnation"

KASSEL. "Transnationale Vergesellschaftung" heißt das Thema einer Tagung, zu dem der Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel mit der Heinrich Böll Stiftung für den 16. und 17. Mai einlädt. In diesem Zusammenhang soll entschieden werden, ob ein neuer Studiengang mit dem Thema "Transnationale Vergesellschaftung" angeboten wird. Im Zuge der Globalisierung unterlaufen Personen, Organisationen und Informationen territoriale Grenzen, so daß die hergebrachte Gleichsetzung von Gesellschaft und Nationalstaat fraglich wird. Für die Wissenschaftler ergeben sich daraus drei Problematiken: Zum einen kulturelle, da sich die Personengruppen außerhalb einer identitätsversichernden territorial befestigten Herkunftsgemeinschaft bewegen. Politische, weil sie einen Akteur entbehren müssen, der ihre speziellen Interessen anspricht und durchsetzt. Schließlich auch ökonomische, da sie auf informelle, individualisierte und dynamisierte Arbeitsmärkte angewiesen sind.

 

Erste Sätze: So wie die Sonne rot und sichtbar wird, / So muß die Sonne sinken. Theodor Däubler: Hesperien. Eine Symphonie, Leipzig 1918


 
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