© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Halte dein Netz sauber
Medien: Die Bezirksregierung Düsseldorf sucht Mittel und Wege, Inhalte im Internet zu zensieren / Pilotphase endet am 30. April
Andreas Schneider

Um die eigenen Mitarbeiter davon abzuhalten, in der Firma im Internet unkontrolliert zu surfen und dabei auf Websites zu gelangen, die von der Arbeit ablenken, setzen immer mehr Arbeitgeber Software ein, die dies verhindert. Eine Art Kindersicherung für Erwachsene. Dies brachte die Bezirksregierung in Düsseldorf im letzten Jahr auf die Idee, solch eine Kindersicherung nicht nur innerhalb von Unternehmen und Behörden einzusetzen, sondern auf jeden Internetnutzer in Deutschland auszudehnen.

In Düsseldorf sah man darin eine Möglichkeit, die eigene Bevölkerung vor Pornographie oder unliebsamen politischen Inhalten zu schützen. Schon lange fuchste es die Bürokraten, daß man in den USA, Skandinavien oder Großbritannien eine andere Auffassung von Meinungsfreiheit hat und sich dort resistent gegen die Wünsche aus Deutschland zeigte, einzelne Websites direkt im Land auf dem ausländischen Server abzuschalten.

Wie kann man also die Deutschen vor einem derart großen Maß von Meinungsfreiheit schützen? Die Bezirksregierung Düsseldorf kam auf die ebenso einfache wie bestechende Idee, Inhalte aus dem Ausland einfach für den deutschen Nutzer zu blockieren.

Da sich jeder Internetnutzer über einen sogenannten Access Provider in das weltweite Netz einwählen muß, lag nichts näher, als die deutschen Anbieter dazu zu verpflichten, geeignete Software für das Aufspüren und Blockieren "verbotener" Inhalte einzusetzen. Hier bot sich die Firma Webwasher.com AG aus Paderborn an, deren Rat sich Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) umgehend einholte. Die Siemens-Tochter Webwasher hatte in Zusammenarbeit mit Cobion und TopicalNet bereits verschiedene Programme zu diesem Zweck entwickelt.

Provider sollten sich selbst verpflichten

Diese Programme klassifizieren Internetseiten durch automatische Text- und Bildanalyse und gleichen sie mit einem sich ständig selbst erweiternden Katalog von derzeit 1,2 Millionen Wörtern und Wortphrasen ab. Webwasher.com gibt in einer Presseerklärung an, auf diese Weise bereits über 600 Millionen Webseiten erfaßt zu haben und täglich rund 10.000 neue Seiten zu klassifizieren. Manuell wird dieser Vorgang nur stichprobenartig überprüft, um das automatische Verfahren zu optimieren.

Am 13. November 2001 nahmen Vertreter der Webwasher.com AG an einer Anhörung teil, zu der die Bezirksregierung Düsseldorf 56 nordrhein-westfälische Internet-Zugangsvermittler (Access-Provider) geladen hatte. Die Bezirksregierung wacht als die für das Land NRW zuständige Aufsichtsbehörde über unzulässige Inhalte im Internet und wollte die Provider zu einer Selbstverpflichtung bewegen, damit diese mit Hilfe der neuen Software inkriminierte Inhalte aufspüren und für deutsche Nutzer blockieren.

Das Regierungspräsidium berief sich dabei auf Paragraph 18 Abs. 3 des Mediendienststaatsvertrages (MdStV): Zugangsprovider können zur Sperrung einer Website verpflichtet werden, wenn die direkte Sperrung (beispielsweise auf einem ausländischen Server) "nicht durchführbar oder nicht Erfolg versprechend" ist. Schon während der Anhörung stellten die betroffenen Anbieter die rechtliche Zulässigkeit der drohenden Verfügung in Frage, Juristen geben zudem zu bedenken, daß die Anwendung des Vertrages kaum begründbar ist, da Zugangsprovider gar keine Anbieter von Medieninhalten sind, sondern eher als Teledienste eingestuft werden müßten. Selbst der sicher nicht rechtsextremer Umtriebe verdächtige Chaos Computer Club (CCC) wendete sich gegen diesen "Zensurversuch" und die "massive Einschränkung der Bürger in der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit".

Trotzdem leitete man in Düsseldorf Ende 2001 ein Verwaltungsverfahren zur Sperrung rechtsextremistischer Inhalte ein. Zehn Provider aus NRW beteiligten sich vorerst, bereits nach kurzer Zeit sprangen jedoch ISIS und Versatel wieder ab, nachdem ihre Kunden den Eingriff als unrechtmäßig kritisierten. ISIS blockiert auf Druck des Regierungspräsidenten inzwischen wieder "rechtsradikale" Inhalte aus dem Ausland.

Auf die wachsende Kritik der Internetgemeinde reagiert man in Düsseldorf inzwischen durch eine Suche nach neuen Formen der Internetfilterung anstatt der bisher geplanten Blockierung ("Filter-Pilotversuch statt Konfrontation"). Zu diesem Zweck vereinbarte man eine zeitlich begrenzte Pilotphase, in der die "technischen Möglichkeiten einer Ver- oder Behinderung" praktisch getestet werden sollen. Partner der Bezirksregierung während der Testphase, die bis zum 30. April 2002 gehen soll, sind die Universität Dortmund und die Firmen Intranet GmbH, Webwasher und Bocatel aus Bonn-Bad Godesberg. Im Anschluß an diese Phase wird der Arbeitskreis erneut zusammentreffen und die Effektivität der neuen Maßnahmen prüfen. Regierungspräsident Büssow könnte sich vorstellen, eine "Positiv-Liste" zu veröffentlichen, in der Provider aufgeführt werden, "die in der Lage sind, die strafbaren Inhalte zu beseitigen".

Denunziation bei staatlicher Behörde

Parallel dazu bietet die Bezirksregierung bereits heute ein eigenes Beschwerdeformular zur Meldung rechtsextremer Inhalte. Die Angabe der eigenen Identität ist freiwillig, das Denunzieren wird so durch die staatliche Behörde institutionalisiert.

Dem besorgten Internetnutzer bleiben angesichts dieser Entwicklungen Fragen über Fragen. Vor welchen Inhalten sollen die Bürger bewahrt werden? Die Hauptstoßrichtung scheint augenscheinlich nicht in Richtung Pornographie, sondern in Richtung unliebsamer politischer Inhalte zu gehen. Nimmt man zum Beispiel die neuen Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung und ihres NRW-Pendants als Grundstock und katalogisiert Websites nach den Definitionen der Behörde, kämen schnell Internetseiten aus dem Umfeld der Union, regionaler JU-Verbände, konservativer kirchlicher Gruppen und Vertriebenenorganisationen auf den Index. Auffallen würden vor allem Polemiken gegen die Homo-Ehe, Aufklärung über Ausländerkriminalität oder eine ergebnisoffene Diskussion über Zuwanderungspolitik und multikulturelle Gesellschaft.

Wieso sind Webwasher und sein Partner TopicalNet als Berater der Bezirksregierung erwählt worden? TopicalNet Europe ist ein Joint Venture zwischen TopicalNet USA und der Bertelsmann mediaSystems und firmiert als "A Bertelsmann Company".

Andererseits sind es in erster Linie die Zeitungen und Zeitschriften der Bertelsmann-Tochter Gruner+Jahr (Stern, Berliner Zeitung, Sächsische Zeitung etc.), die sich im "Kampf gegen Rechts" besonders hervorheben und immer wieder selbst bei CDU und CSU "bedenkliche Tendenzen" aufspüren.


 
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