© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Manifestation der Angst
Kino I: "Panic Room" von David Fincher mit Oscar-Preisträgerin Jodie Foster
Werner Olles

Im New Yorker Stadtteil Manhattan bezieht die von ihrem Ehemann getrennt lebende Meg Altman (Oscar-Preisträgerin Jodie Foster) gemeinsam mit ihrer zuckerkranken Tochter Sarah (Kristen Stewart) ein großes Haus mit mehreren Stockwerken. Doch schon in der ersten Nacht bekommen die beiden unerwarteten und ungebetenen Besuch. Die drei Einbrecher Burnham (Forest Whitaker), Raoul (Dwight Yoakam) und Junior (Jared Leto) haben es auf den Inhalt des Tresors abgesehen. Dieser ist jedoch ausgerechnet in den Boden des am besten gesicherten und hermetisch abgeschlossenen "Panic room" eingelassen, einer Art Hochsicherheitstrakt. Und in diesem "Panic room" verbarrikadieren sich Meg und Sarah auf ihrer Flucht vor den brutalen Verbrechern. Aber der einbruchsichere Raum bietet ihnen längst nicht soviel Schutz, wie sein Name verspricht ...

David Finchers ("Alien III", "Seven", "The Game") Thriller "Panic Room" ist ein frontaler Angriff auf die Nerven, bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit und ganz sicher mit einem mythischen Ziel von Zerstörung und Selbstzerstörung ausgestattet. Ähnlich wie 1995 in "Seven" spielt der Regisseur auch hier bewußt mit der Hingabe an eine konkrete, aber dennoch nicht im Bereich des Faßbaren angesiedelten Gefahr. Inmitten eines ansonsten scheinbar geordneten und gesichterten Alltags - daß dies der Realität nicht ganz entspricht, sieht man jedoch spätestens, wenn Meg nach dem Einzug weinend ein einsames Bad nimmt -, findet eine außerordentliche Begegnung mit dem Bösen statt, die nicht nur einen Einblick in die Abgründe des menschlichen Verhaltens gestattet, sondern zu einer bedrückenden Gegenwärtigkeit anwächst.

Das funktioniert nach der perfekten Struktur von Alpträumen mit all den bekannten Codes wie Klaustrophobie, Sadismus, nackter Gewalt und Angst-Lust. Wie ein klassischer psychologischer Thriller zeigt der Film diesen Terror in geschlossenen Räumen. Aber bereits bevor wir mit Meg und Sarah das Haus betreten, haben uns die Kameramänner Conrad W. Hall und Darius Khondji auf eine rasante und schwindelerregende Fahrt durch die Hochhausschluchten Manhattans mitgenommen, und diese Fahrt nimmt später innerhalb des Hauses an Schärfe und Rasanz eher noch zu.

In "Panic Room" haben die drei Verbrecher etwas Gespenstisches, sie kommen bei Nacht, mindestens zwei von ihnen, Raoul und Junior, lavieren zwischen Perversion und Wahnsinn, nur der eher gemütliche schwarze Safe-Knacker Burnham hat menschliche Züge. Er allein ist Träger einer gänzlich unangebrachten Sanftheit und Melancholie, die das Scheitern des Gangster-Trios vorausahnen läßt, und nur ihm gewährt das geradlinige Drehbuch von David Koepp ("Bad Influence") letztlich auch eine gewisse Chance.

Daß David Finchers Film dennoch keine Neuauflage der klassischen big caper movies der fünfziger oder frühen sechziger Jahre darstellt, liegt offensichtlich daran, daß er das Genre keiner kritischen Revision unterzogen hat. Nicht das letztendliche Mißlingen des Coups ist sein eigentliches Thema, sondern Gewalt und Terror. So erfahren die mörderischen Impulse der Männer nur eine sehr oberflächliche, psychologische Auflösung, aber die Situation selbst ist in ihrer alptraumhaften Konsequenz beispielhaft für das Genre: Hinter der vertrauten Fassade bricht der Schrecken auf. Daß dabei die Handlung zurücktritt und ein Agglomerat von zwei Szenen bleibt, in denen sich die Angst stets aufs neue manifestiert, hat einen makabren Reiz. Trotz dieses Mangels an bösartiger "schwarzer" Romantik ist "Panic Room" ein schnörkelloser Thriller.


 
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