© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/02 26. April 2002

 
"Schill hat die falsche Strategie verfolgt"
Der Politikwissenschaftler Erhard Forndran analysiert das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt und das Scheitern der Schill-Partei
Moritz Schwarz

Herr Professor Forndran, ist die Schill-Partei nach dem verpaßten Einzug in den Magdeburger Landtag politisch gescheitert?

Forndran: Da bin ich nicht so sicher, denn bei einem Ergebnis von 4,5 Prozent hätte schließlich nicht viel gefehlt. Und ein Zugewinn von einem Prozent ist bei der nächsten Wahl durchaus möglich, vorausgesetzt, es tauchen bestimmte Themen auf, die der Partei Wähler zutreiben.

Hat die Schill-Partei bei der nächsten Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern noch alle Chancen, oder hat die Niederlage den Sturmlauf der Partei zu Fall gebracht?

Forndran: Das hängt von der dortigen Konstellation und Situation bei der Wahl im Herbst ab. Die Niederlage von Magdeburg bedeutet nicht, daß die Schill-Partei nun in Schwerin automatisch keine Chance hat. Die Wahl in Sachsen-Anhalt war nicht geprägt von der Dominanz bestimmter Themen, entscheidend war die allgemeine Stimmung gegen Rot-Rot.

Das heißt, der Sieg der CDU war kein Votum für die Inhalte der Union, wie Merkel und Stoiber das jetzt glauben machen wollen?

Forndran: So ist es. Über manche Interpretation dieser Wahl mußte ich mich schon sehr wundern.

Warum aber hat sich das Potential gegen Rot-Rot schließlich bei CDU und FDP gesammelt?

Forndran: Das hat es gar nicht, vielmehr findet es sich im Lager der Nichtwähler wieder - die SPD hat ihre Wähler hauptsächlich dorthin verloren. Vermutlich war vielmehr das Wahlergebnis von 1998 - mit dem starken Einbruch der CDU - das untypische Resultat für Sachsen-Anhalt. Wenn man die Ergebnisse aller Wahlen im Lande der letzten zehn Jahre analysiert, dann hat hier die CDU eigentlich ein Potential von 35 Prozent. Die Union hat nun ihre Wähler zurückgewonnen. Ähnlich ist es bei den Freien Demokraten.

Dennoch bleibt die Frage, warum das Potential der Wechselwähler zu Hause geblieben ist, statt die Schill-Partei zu wählen?

Forndran: Die Thematik, die die Schill-Partei hochgespielt hat, war einfach nicht wahlentscheidend. Entscheidend waren am Sonntag nicht die Inhalte, sondern die Stimmung im Land. Wolfgang Böhmer - "Papa Böhmer", wie er hier und da genannt wurde - hat sich ruhig und bedächtig gezeigt, er hat Vertrauen erweckt, gerade dadurch, daß er den Gegner nicht laut angegriffen hat. Die thematische Differenz zwischen Höppner und Böhmer ist ja tatsächlich nur begrenzt, aber Böhmer hat sich als verläßliche Alternative zur inzwischen ungeliebten rot-roten Regierungskonstel-
lation präsentiert.

Auch wenn die Stimmung vor den Inhalten rangierte, hat die Schill-Partei wenigstens thematisch überzeugt?

Forndran: Das Hausthema der Schill-Partei, die innere Sicherheit, ist kein Thema, das in Sachsen-Anhalt derzeit eine entscheidende Rolle spielt. Und in der Frage der Wirtschaftskompetenz, die tatsächlich das wichtigste Thema ist, hat der Spitzenkandidat der Schill-Partei, Ulrich Marseille, im Land sehr schnell seine Reputation verloren. Denken Sie etwa daran, daß er zum Beispiel prozessiert, um die Abwassergbühr für eine seiner Kliniken nicht bezahlen zu müssen.

Wieso wurde die Schill-Partei nicht wenigstens als Protest-Partei gewählt, wie vor vier Jahren die DVU?

Forndran: Dafür hat sie die falsche Strategie verfolgt. Die DVU hatte 1998 erst in den letzten zehn Tagen Wähler und Parteien mit einer massiven Protest-Kampagne überrascht und einen Stimmungsumschwung herbeigeführt. Der Schill-Partei war das nicht möglich, man kann Schill-Partei und DVU eben nicht in einen Topf werfen, beide Parteien sind doch verschieden.

Hat die Erfahrung mit der DVU - die Fraktion zerfiel nach kurzer Zeit - die Stimmung für die Schill-Partei verdorben?

Forndran: Das hat sicherlich zur Entscheidung, zu Hause zu bleiben, beigetragen, allerdings nur bei dem Teil der Wählerschaft, der solche Erfahrungen reflektiert.

Die DVU-Abspaltung FDVP hat immerhin noch 0,8 Prozent erzielt, der Schill-Partei haben fünf Zehntel zum Einzug gefehlt. Hat die FDVP Schill den Sieg gekostet?

Forndran: Inwieweit sich das FDVP-Potential für die Schill-Partei entschieden hätte, ist nicht geklärt. Denkbar ist es zwar, allerdings sind die ehemaligen Wähler der DVU bis hin zur PDS gewandert.

Inwieweit war Sachsen-Anhalt eine Testwahl für die kommende Bundestagswahl?

Forndran: Die Wahl war von der Situation im Land geprägt. Denkbar ist, daß sie als ein kleines Element die Stimmungslage für die Bundestagswahl beeinflußt. Eine Vorwegnahme des Ergebnisses vom kommenden Herbst ist sie aber in keiner Weise.

Wird die Schill-Partei künftig ein politischer Faktor in der Bundesrepublik sein?

Forndran: Ich glaube nicht an eine politische Rolle der Schill-Partei in der Zukunft. Vorausgesetzt allerdings, die großen Parteien verschlafen das Thema innere Sicherheit nicht und behandeln es mit dem nötigen demokratischen Fingerspitzengefühl.

 

Prof. Dr. Erhard Forndran, 64, ist Politologe an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg.

 

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