© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/02 26. April 2002

 
Frisch gepreßt

Kausaler Nexus. Keine Frage, daß man sich auf den Kommandohöhen der bundesdeutschen Diskursverwaltung, im Tagungsmanagement wie in Feuilletonredaktionen, nach Kräften und recht erfolgreich bemüht hat, aus dem renommierten Berliner Historiker Ernst Nolte einen Unberührbaren, eine in vorgeblich abstruse Thesen verrannte Unperson zu machen. Kein Wunder, wenn es unter manchem der jetzt publizierten Vorträge und Aufsätze des letzten Jahrzehnts dort, wo gewöhnlich der Nachweis der Erstveröffentlichung steht, lapidar heißt: "Von der FAZ (respektive der Welt) erbetener und angenommener, jedoch nicht gedruckter Artikel". Dabei dürfte nicht einmal Noltes Nachdenken über "Historische Tabuisierungen in Deutschland" als das primär "Gefährliche" eingeschätzt werden, sondern seine brillante Analyse des "Liberalen Systems", wie sie etwa in seiner Rezension von Karl R. Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" nachzulesen ist (Kausaler Nexus. Über Revision und Revisionismen in der Geschichtswissenschaft. Studien, Artikel und Vorträge 1990-2000, Herbig Verlag, München 2002, 400 Seiten, 29, 90 Euro).

Zweiter Weltkrieg. Ein Ende ist absehbar. Der siebente Band der vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt verantworteten Geschichte des Zweiten Weltkrieges liegt vor. Fast ein Vierteljahrhundert nach Erscheinen des ersten Bandes folgt nun ein dickleibiger Wälzer, der auf den baldigen Abschluß des Mammutprojekts vorausweist. Als Buch im Buch enthält er die profunde, vierhundert Seiten umfassende Darstellung des Freiburger Historikers Horst Boog über den "Strategischen Luftkrieg in Europa und die Reichsverteidigung 1943-1944". Eine jener Arbeiten des auf diesem Felde international führenden Experten, deren Resultate die multimedial agierenden Legendenproduzenten wiederum nicht irritieren dürften, die glauben machen wollen, der angelsächsische Bombenterror sei Folge von Coventry und Rotterdam. Boogs Gründlichkeit hat in diesem Band freilich ihren hohen Preis: Gerhard Krebs muß seinen wichtigen Beitrag über den zwischen Japan und den USA ausgefochtenen Krieg im Pazifik (1943-1945) auf gut hundert Seiten zusammendrängen, und auch Detlef Vogel ist kaum mehr Platz geblieben, um sich mit der deutschen und alliierten Kriegführung im Westen, also hauptsächlich mit der Landung der Angelsachsen in der Normandie zu beschäftigen (Das Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und Ostasien 1943-1944/45, herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in der Reihe: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 7, DVA, Stuttgart-München 830 Seiten, Abb., Karten, 49,90 Euro).

Etappe 16. Wenigstens einmal im Jahr erscheint es noch, das von Heinz Theo Homann redigierte Rechtsintellektuellen-Periodicum Etappe, das man angesichts aus- oder absterbender Artgenossen wie Staatsbriefe, Gegengift und Criticón langsam unter staatlich alimentierten Kulturschutz stellen sollte. Die jüngste Ausgabe bietet gediegene Geistesgeschichte in Form von Aufsätzen zu "Reichsidee und Rätegedanke" bei Ricarda Huch (Michael Schwiedrzik) und zu Leben und Werk des völlig vergessenen, 1924 durch Freitod aus dem Leben gegangenen Sozialphilosophen Alfred Seidel (Jürgen Frese). Daneben lohnt die Lektüre weiterer, diesmal dem Verfall der deutschen Universität gewidmeten "Adnoten aus der Hauptstadt" (Sven K. Knebel) sowie politisch inkorrekter Reflexionen über die "Trivialisierung der Toleranz" (Theo A. W. de Wit). Zu den Beiträgen, die die Welt gewiß nicht braucht, zählt indes die peinlich infantile, unappetitliche "Malerei" Hans Petris zum Thema: "Deutsche Mädchen" (Sechszehnte Etappe. Bonn 2002, 158 Seiten, Abb., 7,80 Euro; Bezug: Etappe, Postfach 30 04 24, 53184 Bonn).


 
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