© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/02 03. Mai 2002

 
Geschlossene Gesellschaft
Parteienfinanzierung: Die etablierten Parteien schotten sich noch mehr ab
Kurt Zach

Das Berliner Parteiengebirge kreißte, und heraus kam ein Mäuslein, das zu Recht von der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen wurde: Das "achte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes" bringt ein bißchen Theaterdonner mit Strafandrohungen und allerlei konsensgetragene Einzelmaßnahmen, läßt Pfründe und Struktur der Parteienfinanzierung im wesentlichen unangetastet und macht es für die Kleinen draußen vor der Tür noch etwas schwerer, an die Fleischtöpfe der Großen zu gelangen. Das war's auch schon mit der "Reform".

Der einzige Fortschritt ist die Ahndung der vorsätzlichen Manipulation mit Rechenschaftsberichten oder der Verschleierung von Einnahmen mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Auf diesen Kompromiß konnte sich die ganz große Koalition von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen in ihrem gemeinsamen Antrag freilich leicht einigen. Schließlich trifft die scheinbar drakonische Maßnahme vor allem diejenigen, die im Fall des Falles sowieso als Sündenböcke herhalten müssen - die Schatzmeister nämlich. Die meist im rechten Moment mit profunder Ahnungslosigkeit oder plötzlicher Amnesie gesegneten Träger der politischen Verantwortung werden sich so auch künftig um dieselbe drücken können.

Ansonsten wird, schön nach Proporz der spezifischen Interessen der beiden großen Parteien, zwar hier ein bißchen verschärft und da ein bißchen eingeschränkt, aber nichts grundsätzlich abgeschafft. Barspenden bleiben weiterhin erlaubt - aber nur noch bis 1.000 Euro. Spenden, die "erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils" gegeben werden, sollen nicht gestattet sein - mit solch vagen Bekundungen ist kein Sumpf trockenzulegen. Juristische Personen dürfen also, zur Freude vor allem von CDU und FDP, weiter spenden, auch Firmen mit öffentlicher Beteiligung - aber nur, wenn der öffentliche Anteil nicht größer als 25 Prozent ist. Dafür hat die SPD sich das Zuckerl behalten, parteieigene Medienbeteiligungen unter zwanzig Prozent auch künftig nicht offenlegen zu müssen.

Die Kritik der PDS, die sich als einzige der Allparteienkoalition versagt hat und für ein sie selbst kaum betreffendes Verbot von Firmenspenden wirbt, klingt freilich mehrfach hohl: Schließlich profitieren die Kommunisten bis heute gern von den SED-Millionen, die Genosse Gysi in der Wendezeit mit allerlei Mauscheleien noch geborgen hatte. Nur von außen konnten die Republikaner ihre Gegenvorschläge machen. Sie fordern, rechtswidrigen Spendenempfang mit dem Verlust aller staatlichen Mittel für die betreffende Partei zu sanktionieren und auch die Annahme oder Weiterleitung unzulässiger Spenden mit Geld- oder Freiheitsstrafen zu bedrohen.

Aus Fachkreisen hagelte es Kritik. Der Hamburger Bilanzfachmann Professor Wilhelm Strobel moniert die Beibehaltung verfälschender Bilanzpraktiken wie der Quersaldierung von Einnahmen und Ausgaben. Dieter Wunder, Mitglied der Expertenkommission des Bundespräsidenten, rügt, daß dessen Kontrollbefugnisse nicht erweitert worden seien. Der Düsseldorfer Parteienforscher Ulrich von Alemann vermißt eine Höchstgrenze für Spenden. Sein Kollege Hans Herbert von Arnim trifft einen wunden Punkt: Die Parteifinanzen in den Städten und Unterbezirken blieben weiter praktisch unkontrolliert, "obwohl von der korrekten Verbuchung von Beiträgen und Spenden Steuervergünstigungen und Subventionen im Umfang von Hunderten von Millionen Euro" abhingen. Zwar trägt das Änderungsgesetz auf Schritt und Tritt die Spuren der letzten Skandale, doch nicht einmal die bereits bekannten Mißstände lassen sich damit wirksam abstellen.

Weitgehend übersehen wurde der Artikel drei des Gesetzes, der für den Geist der Neuregelung aussagekräftiger ist als das vorausgehende Sammelsurium ausgekungelter Einzelbestimmungen. Ab 1. Januar 2005 soll für die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung ein "Drei-Länder-Quorum" gelten: Nicht in einem, sondern in drei Bundesländern muß eine kleine Partei dann über ein Prozent der Stimmen kommen, wenn sie nicht 0,5 Prozent in einer bundesweiten (Bundestags- oder Europa-)Wahl erreicht. Ausdrücklich zielt die Regelung auf "kleine, radikale Parteien", die sich auf die Stadtstaaten konzentrierten, um mit wenig Aufwand an die begehrten Töpfe zu gelangen. Gemeint ist da wohl ein Münchner Verleger mit seiner Partei nationaler Zeitungsabonnenten. Tatsächlich handele es sich aber um eine "Lex ÖDP", klagt deren Bundesvorsitzender Uwe Dolata. Die kommunal starke, auf Landes- und Bundesebene aber schwache konservative Öko-Partei erwägt eine Klage vor dem Verfassungsgericht.

Die in der Begründung großzügig hervorgehobene dreijährige Umstellungsfrist ist für die Betroffenen ein schwacher Trost. Wir wollen unter uns bleiben, lautet das Signal, und wie zur Bekräftigung wird die Höchstgrenze für die staatlichen Zuschüsse gleich um fünfeinhalb Prozent angehoben. Alles beim alten also, die alten Gesichter rücken noch enger zusammen und machen ihre geschlossene Gesellschaft noch etwas dichter für etwaige Konkurrenz von außen. Aus sich selbst heraus ist das deutsche Parteiensystem offenkundig nicht reformierbar.


 
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