© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/02 03. Mai 2002

 
Diesmal ohne West-Import
Schill-Partei: In Mecklenburg-Vorpommern wird am kommenden Wochenende der dritte Landesverband konstituiert
Peter Freitag

Am kommenden Wochenende, dem 4. bis 5. Mai, werden in Rostock die Mitglieder der Schill-Partei aus Mecklenburg-Vorpommern zusammenkommen, um auf einem konstituierenden Parteitag ihren Landesverband zu gründen. Neben Vorstandswahlen stehen die Verabschiedung eines Partei- sowie eines Wahlprogramms für die Landtagswahlen am 22. September auf dem Programm. Außerdem sollen die Leiter der parteiinternen Arbeitskreise Innere Sicherheit, Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft, Soziales, sowie "moralische und ethnische Grundwerte" durch Wahlen legitimiert werden. Da es noch keinen Delegiertenschlüssel gibt, ist jedes anwesende Parteimitglied aus Mecklenburg-Vorpommern stimmberechtigt.

Bereits am vergangenen Samstag schlossen sich mehrere Orts- bzw. Kreisverbände zu insgesamt drei Bezirksverbänden zusammen, für die ebenfalls Vorstände gewählt wurden. Für den Bezirksverband Bad Doberan-Rostock-Stralsund fungiert Klaus Weber als Vorsitzender, den Bezirksverband Neubrandenburg-Parchim-Ludwigslust führt Rolf Käsebier und den Bezirksverband Schwerin-Güstrow Hansheinrich Liesberg. Liesberg, der ehrenamtlicher Präsident der Industrie- und Handelskammer Schwerin ist, sah sich nach seinem Eintritt in die Schill-Partei teilweise heftigen Vorwürfen aus den Reihen der IHK ausgesetzt. Es hieß, ein parteipolitisches Engagement vertrage sich nicht mit seiner zur Neutralität verpflichtenden Führungsposition in der Standesvertretung. Dagegen verwies Liesberg einerseits auf sein Recht als Privatmann, sich politisch positionieren zu dürfen, andererseits auf den Rostocker IHK-Präsidenten, der seit vielen Jahren Mitglied der SPD ist.

Konkrete Namen möglicher Kandidaten für die Führungsmannschaft der Schill-Partei im Nordosten wollte man auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT in der Schweriner Parteizentrale noch nicht bekanntgeben. Als Koordinatoren der Partei in Mecklenburg-Vorpommern fungieren derzeit der Rostocker Helmut Schmidt sowie Gerd Stachow aus Schwerin. Auf einen "Westimport" an der Spitze könnte die Partei also gut verzichten, will sie den Mißerfolg in Sachsen-Anhalt nicht wiederholen und statt dessen ihrem Motto "Mit uns schafft es der Osten aus eigener Kraft!" gerecht werden.

Inhaltliche Schwerpunkte des zu verabschiedenden Programms sollen neben der Inneren Sicherheit - Forderung einer verstärkten polizeilichen Präsenz im ländlichen Raum sowie schnellerer Verurteilung von Tätern - die Bereiche Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Familie und Jugend sowie Landwirtschaft sein. Der Katalog der Schill-Partei umfaßt die Gründung einer Investitionsbank für Mecklenburg-Vorpommern, die "Verbesserung des Tourismusbildes", die Ablehnung sozialistischer Experimente in Schul- und Familienpolitik, die Bekämpfung von Sozial- und Asylmißbrauch sowie eine "bauernfreundliche Agrarpolitik ohne 'grüne' Ideologie".

Im Kreistag von Güstrow und im Stadtrat von Rostock hat die Schill-Partei mit den ehemaligen CDU-Abgeordneten Wolfgang Wehrmann und Michael Necke bereits je einen Mandatsträger. Außerdem wechselte Mitte April der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Marten zur Partei Rechtsstaatlicher Offensive. Der ehemalige Marineoffizier und derzeitige ungarische Honorarkonsul saß für die Union mit Direktmandat des Wahlkreises Güstrow-Ludwigslust von 1990 bis 1998 im Bundestag und war agrarpolitischer Sprecher seiner CDU-Landesgruppe. In seiner neuen Partei sieht Marten "vorurteilsfrei eine Alternative zur derzeit verkrusteten Parteienlandschaft". Wahlmüdigkeit und Resignation wolle er bekämpfen und sich für "mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze und intensivere Mittelstandsförderung" einsetzen.

Mit großer Sicherheit wird sich der Landesparteitag in Rostock gegen eine Teilnahme an der Bundestagswahl aussprechen, so Landeskoordinator Gerd Stachow gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: "Schon vor Schills Votum waren die mecklenburg-vorpommerschen Mitglieder mehrheitlich gegen ein Antreten zur Bundestagswahl, da die logistische und finanzielle Lage bundesweit dies noch nicht zuläßt." Die Struktur in Mecklenburg-Vorpommern, nunmehr dritter Landesverband der Schill-Partei, sei jedoch bereits so gefestigt, daß der Teilnahme an den Landtagswahlen am 22. September nichts mehr im Weg stehe, so Stachow.


 
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