© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/02 03. Mai 2002

 
Meister cineastischer Leckerbissen
Zum hundertsten Geburtstag des Film- und Theaterregisseurs Max Ophüls
Werner Olles

Max Ophüls wurde als Max Oppenheimer am 6. Mai 1902 in St.Johann/Saar (seit 1914 Saarbrücken) als Sohn des Textilkaufmanns Leopold Oppenheimer geboren. Er besuchte das Ludwig-Gymnasium und ab 1915 die Oberrealschule, die er ohne Abitur verließ. Der begeisterte Theaterbesucher spielte mehrere Musikinstrumente und wirkte 1920 in einer Schüleraufführung von Gustav Freytags Stück "Die Journalisten" mit. Danach avancierte er zum Schauspiel-Volontär bei Fritz Holl am Württembergischen Landestheater, wo er den Künstlernamen Ophüls annahm. Seine erste Regie übernahm er am Stadttheater Dortmund, entwarf auch Bühnenbilder und spielte selbst. 1925 erfolgte ein Engagement ans Wiener Burgtheater, das er jedoch nach antisemitischen Drohungen verlassen mußte. Zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Hilde Wall, ging Ophüls dann nach Frankfurt am Main, wo er am Neuen Theater und am Schauspielhaus als Gastregisseur tätig war.

Nach der Geburt seines Sohnes Hans Marcel im Jahre 1927 inszenierte Ophüls an den Vereinigten Theatern in Breslau. Im Januar 1931 zog die Familie nach Berlin. Hier inszenierte er am Komödienhaus und am Theater an der Stresemannstraße Boulevardstücke und Komödien. Noch im gleichen Jahr entstand Ophüls erster für die UFA gedrehter Kurzfilm "Dann schon lieber Lebertran" nach einer Erzählung von Erich Kästner. Ein Jahr später folgte sein erster abendfüllender Spielfilm "Die verliebte Firma", eine Komödie über das Filmemachen. Das Melodram "Liebelei" nach Arthur Schnitzler, in dem Ophüls die beiden Jungstars Luise Ullrich und Magda Schneider gegen ihre gewohnten Rollenfächer besetzte, hatte erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, am 16. März 1933, Premiere. Es wurde ein Riesenerfolg, aber wenige Tage später verließ der Regisseur Berlin, um nach Paris ins Exil zu gehen.

Nach der Saarabstimmung im Januar 1935 wurden die Geschäftshäuser seines Vaters in Saarbrücken "arisiert". Die Familie emigrierte nun ebenfalls nach Paris. Ophüls reiste in die Sowjetunion, aber das dortige Regime überzeugte ihn nicht. Wieder zurückgekehrt drehte er die von deutschen Emigranten produzierten Filme "Yoshiwara", "Werther" und "De Mayerling a' Sarajevo". Seit 1938 französischer Staatsbürger, wurde Ophüls Soldat.

Nach dem Waffenstillstandsabkommen zwischen Frankreich und Deutschland floh er vor der Gestapo ins unbesetzte Südfrankreich, um von hier aus seine Emigration in die USA vorzubereiten. Im April 1941 reiste er über Marseille und Lissabon nach New York und von dort aus weiter nach Los Angeles.

In Hollywood engagierte ihn Preston Sturges 1944 für die Regie zu "Vendetta". Im Gegensatz zu den Emigranten Ernst Lubitsch, Otto Preminger, Fritz Lang, Jean Renoir oder Douglas Sirk machte Ophüls seine Gastheimat Amerika nicht zu einem Thema. Er sei "nie verliebt gewesen in die Phantasmagorie Amerika" gestand er später einmal. Gleichwohl drehte er 1948 mit "Brief einer Unbekannten" nach der Novelle von Stefan Zweig einen sehr amerikanischen Film. Eine träumerisch zarte und an ihre Leidenschaft verlorene Joan Fontaine liebt den Konzertpianisten Louis Jourdan, der sie zunächst nicht beachtet. Später hat sie eine kurze Affäre mit ihm und wird schwanger, verzichtet aber auf ihn, um seiner künstlerischen Karriere nicht im Wege zu stehen. Als sie sich nach vielen Jahren zufällig wieder begegnen, erkennt er sie nicht einmal mehr. Kurz vor ihrem tragischen Tod schreibt sie einen letzten Liebesbrief an ihn.

In einem kaiserlichen Wien, das ganz und gar aus Dekor zu bestehen scheint, gelang es Ophüls mittels der sehr femininen Optik seines Films die Sehnsucht und das Gewicht des Augenblicks, die jede Liebesminute mit leidenschaftlicher Intensität auflädt, spürbar zu machen.

1949 kehrte Ophüls nach Paris zurück, um hier die Vorbereitungen zu einem Film mit Greta Garbo und James Mason zu treffen. Aber das Projekt verlief im Sande, und so ergriff er die Initiative zu der französischen Filmversion von Schnitzlers "Der Reigen", der in Starbesetzung und unter Begleitung einer der letzten Walzermelodien von Oscar Strauß die Runde durch zahlreiche Länder machte. Unter den französischen Komödien im Kostüm der Jahrhundertwende stand sein "Reigen" - gewiß auch wegen der für damalige Verhältnisse gewagten erotisch-pikanten Szenen - sicher an der Spitze. Nach diesem Welterfolg drehte er 1951 einen thematisch ähnlichen Film, "Pläsier", nach drei Novellen von Maupassant, und bewies damit, daß ein solcher Welterfolg sich selbst in abgewandelter Form nicht wiederholen läßt. Erst zwei Jahre später gelang ihm mit dem Drama "Madame de..." wieder ein cineastischer Leckerbissen, meisterhaft in Inszenierung, Darstellung und Ausstattung.

Einer seiner letzten Filme, "Lola Montez" (1955), wird ein ähnlicher Kino-Skandal wie "Der Reigen", im Gegensatz zu diesem jedoch eine spektakuläre Pleite. Ophüls unterzieht den Mythos der Lola Montez, die zunächst eine spielerische, dann mehr und mehr korrupte erotische Exhibition betreibt, einer kritischen Analyse. Zum Schluß wird die ehemals schöne, nun kranke und vereinsamte Tänzerin, deren Affären mit Franz Liszt und dem Bayernkönig Ludwig I. für Aufsehen sorgten, in einem billigen Zirkus wie ein Tier im Käfig vorgeführt.

In der Bundesrepublik arbeitete der Regisseur für den Hörfunk und inszenierte mit großem Erfolg am Hamburger Schauspielhaus Beaumarchais' "Der tolle Tag". An der Premiere am 5. Januar 1957 konnte er wegen einer Erkrankung bereits nicht mehr teilnehmen. Die Dreharbeiten zu "Les Amants de Montparnasse", einem Film über den Maler Modigliani, zu dem er auch das Drehbuch verfaßte, erlebte Ophüls nicht mehr. Er starb am 26. März 1957 in Hamburg.


 
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